Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 70

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eigentlich nichts Schöneres, als nach einem derartigen Wahrheitsfanatiker und selbsternannten Sozialpolitiker, wie es Herr Kollege Drochter ist, ans Rednerpult zu gehen.

Herr Kollege, ich vermute, daß Sie den ÖGB-Herren im "Konsum" Ihre Ideen und Ihre Zahlen und Fakten, die Sie uns heute vorgelegt haben, auch mitgeteilt haben und die ÖGB-Herren im "Konsum" gemanagt haben, denn wir wissen ja hinlänglich, was auch diesem "Konsum" geworden ist und wie "gut" er heute dasteht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Damit haben Sie einen Beweis geliefert, was man von Ihrer Sozialpolitik halten kann!

Nun möchte ich aber zur Sache kommen, und zwar zum – wie es schon hinlänglich bekannt ist – Sozialbericht 1994. Ich wiederhole mich, wenn ich es wieder sage, aber ich tue es trotzdem: Es ist der Sozialbericht aus dem Jahre 1994, und wir haben bereits Juni 1996. Also es ist Schnee von gestern, ich würde sogar sagen, Schnee von vorgestern. Wie bereits mein Kollege Weilharter gesagt hat, hat es seither beträchtliche Verschlechterungen, vor allem was die soziale und die Arbeitsmarktlage betrifft, gegeben.

Meine Damen und Herren! Seit Ende April sind bei den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice 11,8 Prozent mehr Arbeitslose als 1995 vorgemerkt, und die gemeldeten offenen Stellen sind um 22,5 Prozent geringer als 1995. Es gibt Probleme am Arbeitsmarkt, es gibt zuwenig Lehrstellen, es gibt Probleme bei der Sozialversicherung, die auf diese Art nicht mehr finanzierbar ist – wir wissen, es wird zurzeit ein Belastungspaket Nummer 3 geschnürt, um diese maroden Sozialversicherungen zu sanieren –, und es gibt zuwenig Wohnungen und zuwenig Kinderbetreuungseinrichtungen. Da scheint es mir geradezu lächerlich zu sein, wenn man diesen Sozialbericht 1994 anschaut und darin großartig vermerkt wird, daß sich die Erwerbsquote bei Frauen um einen Zehntelprozentpunkt erhöht hat, und zwar von 63,5 auf 63,6 Prozent.

Meine Damen und Herren! Wir nehmen Mitte 1996 zur Kenntnis, daß Österreich 1994 im Vergleich zum übrigen Europa eine äußerst niedrige Jugendarbeitslosigkeitsrate gehabt hat und daß das österreichische Bildungssystem diese Entwicklung sehr massiv beeinflußt hat. Ich sage Ihnen aber hier an dieser Stelle: Faktum ist 1996, daß wir sehr wohl eine hohe Jugendarbeitslosigkeit haben, aber sie ist versteckt; versteckt dahin gehend, daß Jugendliche, die die Wirtschaft nicht aufnehmen kann und will, weil es sich ja heute aufgrund der hohen Lohnnebenkosten kaum mehr ein Betrieb leisten kann, Lehrlinge aufzunehmen, auf die sogenannten weiterführenden berufsbildenden Schulen verteilt werden. Nach Abschluß ihrer Ausbildung überfluten dann diese Jugendlichen den Arbeitsmarkt und haben immer weniger Chancen, in die Berufswelt einzusteigen.

Daher finde ich, daß mit dem Vorschlag von SPÖ-Bildungspolitikern, über den ich heute in der "Presse" gelesen habe, wonach man die Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr einführen will, nichts anderes erreicht werden soll, als die steigende Jugendarbeitslosigkeit zu vernebeln, womit man völlig kontraproduktive Aktionen setzt und nicht an den Kern der Sache geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Aber auch das Alter ist, wie schon vielfach angeklungen, ein bestimmender Faktor für die Langzeitarbeitslosigkeit. Frauen sind nach wie vor mehr betroffen als Männer. Bereits 1994 mußte mehr als die Hälfte der arbeitslosen Frauen mit einem Arbeitslosengeld auskommen, das den Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende – nämlich 7 500 S – unterschreitet, bei Männern waren es nur 20 Prozent. Das Schlagwort, daß die Armut zunehmend weiblicher wird, hat hier wieder seine Berechtigung.

Angesichts dieser Tatsache schafft man im Rahmen eines Belastungspaketes Nummer 2 unter anderem ein vollkommen untaugliches Bonus-Malus-System, wonach, wie die Arbeiterkammer Salzburg errechnet hat, die Kündigung einer älteren Arbeitnehmerin den Betrieb nur in etwa 5 000 S bis 8 000 S kostet, die Kündigung eines männlichen Arbeitnehmers hingegen 20 000 S bis 35 000 S. – Damit erreicht man wieder einmal das Gegenteil von dem, was man vielleicht erreichen wollte.


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