Bundesrat Stenographisches Protokoll 615. Sitzung / Seite 77

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im europäischen Bereich einbringen. Das ist nicht immer ganz leicht, das möchte ich ehrlich sagen, Frau Kollegin, wenn ich nur etwa an die Föhnlage und die Flüge von und nach Innsbruck denke, meine Stärke liegt bei Flugzeugen im Aussteigen und nicht im Einsteigen.

Ich glaube, Engagement wird auch in Zukunft notwendig sein. Denn man beschäftigt sich unentwegt damit, was die Mandatare für Österreich alles leisten, wenn sie nicht gerade in Zipfelzell ein Band durchschneiden, sondern im Ausland etwa einen Einsatz zur Arbeitsplatzsicherung erbringen.

Meine sehr Verehrten! Wir werden in Zukunft auch bei den Europakonferenzen zur Kenntnis nehmen müssen, daß die EU nicht vergleichbar ist mit einem normalen demokratischen Verfassungsstaat. Es gibt bei der EU eine Exekutivlastigkeit und eine andere Form der demokratischen Legitimation. Ich möchte nicht von Demokratiedefizit sprechen. Aber es handelt sich um eine andere Form der demokratischen Legitimation. Die Ratsmitglieder sind demokratisch legitimiert von den nationalen Parlamenten. Wir müssen, meine sehr Verehrten, zur Kenntnis nehmen, daß es sich hierbei um ein Gebilde im internationalen Recht sui generis handelt, und man möge sich nach dem Subsidiaritätsprinzip immer vor Augen halten, daß wir von der EU nicht das verlangen können, was wir im eigenen Staat nicht zu leisten imstande sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe bisweilen den Eindruck, daß manche in der Europapolitik nach dem Motto "Haltet den Dieb" vorgehen möchten oder etwas verlangen, was sie selbst ohne Mentalreservation im Inland nicht bereit zu tun sind. Ich bin daher Herrn Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky und meinem Freund, dem früheren Landeshauptmann von Niederösterreich, Siegfried Ludwig, ohne dessen Ja ich nicht hier stehen würde – ich versichere Sie meines Mitgefühls –, dankbar, daß sie 1992 das Perchtoldsdorfer Abkommen unterzeichneten.

Meine Damen und Herren! Für die Sozialdemokratische Partei Österreichs bedeutet es einen Sprung über den eigenen Schatten. Wir müssen uns nur bemühen, meine Damen und Herren, daß das, was damals an Bundesstaats- und Bundesratsreform vereinbart wurde, endlich durchgeführt wird! (Beifall bei der ÖVP.)

In anerkennenswerter Weise wurden nach der letzten Nationalratswahl auch bereits Ergebnisse eingebracht. Ich möchte den jetzigen Klubobmann Dr. Kostelka nennen, der zu dieser Zeit Staatssekretär war, wobei ich zugebe, daß er sich in seiner damaligen Rolle als Staatssekretär mehr dafür engagiert hat als jetzt als Klubobmann. Sie sehen, Herr Staatssekretär Mag. Schlögl, daß ich diesbezüglich Realist bin! Aber wenn man all das seit 1969 erlebt, ist man auch für Brotkrumen schon dankbar, bevor man verreckt, meine Damen und Herren!

Ich freue mich sehr, daß diese Regierungsvorlage zur Verfassungs- und Bundesstaatsreform eingebracht wurde. Und erlauben Sie mir zu sagen: Man soll nie Verfassungsänderungen vornehmen und außenpolitische Maßnahmen treffen im Hinblick auf augenblickliche Mehrheitsverhältnisse! Denn diese können sich ändern! Wir haben zum Glück eine dynamische Demokratie auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene. Außerdem, meine sehr Verehrten, kann man nur das gemeinsam vertreten, was man gemeinsam erarbeitet hat. Darum lade ich auch die Freiheitliche Partei ein, das zu bedenken, was der Herr Präsident heute dankenswerterweise auch schon in seiner Rede in bezug auf die Geschäftsordnungsreform des Bundesrates gesagt hat. Meine Damen und Herren! Solange es Menschen gibt, wird es immer Reformen geben. Es gibt Leute, die ihre Wohnung nach ihrer Eheschließung beglückt einrichten und nach einigen Jahren feststellen, daß sie eigentlich die Bilder anders aufhängen und die Möbel anders positionieren wollen. Arg ist natürlich, wenn sie entdecken, daß sie einen anderen will und er will eine andere. Das wäre arg! Aber wenn man der Meinung ist, daß man miteinander weiter marschieren will – und das ist doch unsere Absicht! –, dann sollte man sich auch gemeinsam darum bemühen! Daher sollten wir uns bemühen, in die Geschäftsordnung auch die europapolitische Konsequenz einzubringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bin, beginnend mit dem Vorarlberger Landtag, meinem Freund, dem Präsidenten und Bürgermeister Dipl.-Vw. Gasser sehr dankbar, daß er in föderalen Fragen auch ein Vordenker ist.


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