Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 32

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Es handelt sich hiebei um eine Reihe von Bestimmungen, von denen man sagen kann, daß sie wertestiftend sind. Der österreichische Staatsbürger hat nicht nur im Inland, sondern wo immer er sich aufhält, den Respekt vor der Menschenwürde, insbesondere der kindlichen Menschenwürde, zu wahren.

Die vorgeschlagenen Änderungen fußen auf den Erfahrungen der Praxis und stellen auf neue Formen und Ausbildungen der Kriminalität ab. Der in Frage stehende Nationalratsbeschluß betreffend das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 ist deshalb insgesamt gesehen sehr zu begrüßen. Daran vermag für mich der Wegfall der §§ 194, 220, 221 Strafgesetzbuch, geopfert auf dem Altar des Zeitgeistes, nichts zu ändern. Ich beantrage deshalb, gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.27

Präsident Josef Pfeifer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich bitte ihn, zu sprechen.

10.27

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Unter den zusammengezogenen Tagesordnungspunkten 2 bis 5 stehen heute so umfangreiche Materien zur Debatte wie das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, die Strafvollzugsgesetznovelle 1996, das Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozeßordnung, die Strafprozeßordnung geändert werden, und schließlich die vierte Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien. Einzelnen Bestimmungen gingen mehrere Jahre Diskussion, im konkreten auch eine sehr intensive parlamentarische Behandlung, voran, ehe diese vom Nationalrat am 27. November beschlossen wurden und heute vom Bundesrat endgültig verabschiedet werden sollen.

Es war sicher kein Zufall, daß dabei insbesondere jene Bestimmungen des Strafrechtsänderungsgesetzes, die gleichgeschlechtliche Beziehungen regeln, besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erweckten und erwecken. Schließlich leben wir heute in einer Zeit, in der einerseits in vielen Bereichen gesellschaftliche Zwänge, Sitten und Normen als überholt gelten, andererseits aber besonderer Wert darauf gelegt wird, eben diese Zwänge, Sitten und Normen weiter bestehen zu lassen oder gar neue aufzustellen.

Ich will mich daher, ehe ich auf die anderen Aspekte der umfangreichen Novelle eingehe, dieser gesellschaftspolitischen Frage nicht verschließen. Dabei maße ich mir, im Gegensatz zur ehemaligen Staatssekretärin und nunmehrigen Vorsitzenden des Justizausschusses im Nationalrat, Frau Fekter, nicht an, individuelle Beziehungsformen von Menschen meiner persönlichen Vorstellungswelt unterordnen zu wollen, indem ich alle anderen Formen als nicht wünschenswert abqualifiziere. Auch verschließe ich meine Augen nicht vor der Realität, indem ich eingestehe, daß es gegenwärtig viele verschiedene, individuelle Beziehungsformen gibt und nicht mehr von einer allgemein gültigen Form gesprochen werden kann.

Worum es in dieser gesamten Debatte wirklich geht, ist der Umstand, daß gleichgeschlechtliche Beziehungen vielfach nicht nur gesellschaftlich negiert oder geächtet, sondern weiterhin kriminalisiert sein sollen. Wir Sozialdemokraten sprechen uns deshalb schon seit Jahren gegen diskriminierende Bestimmungen des Strafgesetzbuches aus und haben auch dies in zahlreichen Initiativen auf parteiinterner, öffentlicher und parlamentarischer Ebene umzusetzen versucht. In diesem unseren Bestreben finden wir uns trotz des Scheiterns unserer Initiative im Plenum des Nationalrates nicht allein gelassen. Wir fanden und finden vielmehr breite Unterstützung auf verschiedensten Ebenen. Eine klare Mehrheit von Experten hat sich bereits im Oktober 1995 anläßlich eines Hearings im Unterausschuß des Justizausschusses im Nationalrat für die Abschaffung des § 209 Strafgesetzbuch ausgesprochen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat sogar schon 1981 den Mitgliedstaaten empfohlen, für homosexuelle und heterosexuelle Handlungen dieselbe Altersgrenze der Mündigkeit vorzusehen. Ähnliche Empfehlungen bestehen auch von seiten des Europäischen Parlaments.

Umso bedauerlicher ist es, daß anläßlich der Debatte im Nationalrat eine Pattsituation eintrat, die die Zeitung "Die Presse" vom 29. 11. 1996 meiner Meinung nach in ihrer Feststellung auf


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