Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 111

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Großgruppe, sprich in der Klasse zu betreuen. Sie müssen jederzeit die Möglichkeit haben, in andere Räume auszuweichen, zur Ruhe zu kommen. Dieser Unruhe, die einfach in einer Klasse vorhanden ist und die wir uns eigentlich auch wünschen, weil sie oft von Lärmmotivation zeugt, müssen sie entgehen können.

Wenn wir von Integration sprechen, dann meine ich, daß Integration sehr wohl möglich ist, aber sie muß von Fall zu Fall genau geprüft werden. Die jetzige Entscheidung über die Gremien, die vorgesehen sind, also über Bezirksschulräte, über Direktoren der Schulen, bedeutet, diesen Gremien – ich spreche jetzt speziell einmal über die Direktoren – den Schwarzen Peter zuzuspielen, wenn sie dann sagen, sie können eine Integration an ihrer Schule nicht vertreten. Ihnen wird dann natürlich sehr schnell unterstellt, daß sie behindertenfeindlich sind.

Ich meine auch, daß wir zuwenig Lehrer haben, die abgesehen von einer Sonderausbildung mit dem Umgang mit Behinderten vertraut sind. Viele AHS-Professoren, viele Hauptschullehrer haben in ihrer Ausbildung nie gelernt, wie es ist, Behinderte zu integrieren. Sie haben nicht gelernt, ihre Methoden, ihr Fachwissen so zu streuen, daß sie Kinder, die eine geringere Aufnahmefähigkeit haben, auch für ein Thema begeistern können. Das heißt, wenn man solche Entscheidungen trifft, dann muß man zur selben Zeit damit beginnen, die Lehrerfortbildung im Hinblick auf diesen Schwerpunkt zu intensivieren.

Ich meine auch – und dazu stehe ich –, daß es nicht jedem von uns liegt, daß es nicht jeder kann, und zwar mit Behinderungen unterschiedlichen Grades tagtäglich umzugehen. Ich denke, daß es vielleicht nicht immer so opportun ist, solche Dinge zu sagen. Man kommt ganz schnell in den Geruch, behindertenfeindlich zu sein. Ich weiß, wovon ich spreche, und jeder von uns erlebt seine Grenzen – auch in der Betreuung der Behinderten –, die bei jedem anders gelagert sind.

Auch zum Beispiel die neuen Lehrformen wie offenes Lernen, wie Teamteaching sind Dinge, die meiner Beobachtung und meiner Erfahrung nach viel zuwenig in der Lehrerausbildung – ich spreche jetzt von Kollegen, deren Ausbildung vielleicht zehn Jahre zurückliegt – vorhanden waren.

Wir haben in Oberösterreich – ich weiß nicht, wie es in anderen Bundesländern ist – nicht in jedem Bezirk sonderpädagogische Zentren. Das heißt, wenn in jedem Bezirk eine Integrationsklasse gegründet werden soll, dann müssen wir auch in jedem Bezirk ein sonderpädagogisches Zentrum haben, dessen Leiter eine Sonderschulausbildung hat. Es muß auch die Möglichkeit – das verstehe ich unter Entscheidungsfreiheit – für die Eltern, die behinderte Kinder haben, bestehen, die Entscheidung zu treffen, ob sie ihr Kind in eine ASO-Klasse oder mein Kind in die Integrationsklasse geben wollen. Denn niemand kennt das Kind so gut wie die betroffenen Eltern – nicht der Direktor und auch nicht der Bezirksschulinspektor, der eine Entscheidung treffen soll.

Im weiteren möchte ich noch ganz kurz einen Denkanstoß geben im Hinblick auf die Situation von Eltern behinderter Kinder, die aufgrund ihrer individuellen Situation ihr Kind in eine Sondereinrichtung geben. Man darf nicht dabei außer acht lassen, daß von Eltern gesellschaftlich gesehen gedacht wird, daß sie sich nicht um ihr Kind kümmern wollen, es deshalb nicht in eine Integrationsklasse geben, sondern in Sondereinrichtungen abschieben.

Es herrscht unter den Betreuern in manchen Behinderteneinrichtungen große Traurigkeit – so würde ich es fast nennen –, weil sie in den letzten Jahren immer mehr das Gefühl haben, daß sie in den falschen Institutionen arbeiten, daß sie schlechte Arbeit geleistet haben, daß man diese Systeme in Frage stellt. – Daher ist es mir ganz wichtig, daß man bei solch sensiblen Themen sehr behutsam vorgeht.

Einen Aspekt möchte ich auch noch aufzeigen. Ich unterstelle es nicht, aber ein wenig im Hinterkopf habe ich auch die Überlegung, ob man nicht aufgrund dieser Integrationsmodelle durch die Hintertür die Gesamtschule einführen will. (Bundesrat Payer: Wäre gut! Wäre positiv!) – Das ist Ihre Meinung, ich habe eine andere Meinung dazu, und diese vertrete ich hier.


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