Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 113

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Ich denke an die eigene Schule und kann sagen, die Integration von körperbehinderten Kindern hat uns eigentlich nie Probleme gemacht. Es war immer selbstverständlich, daß einem Kind, das im Rollstuhl gesessen ist, von den Lehrern, von den Mitschülern geholfen wurde. Wir haben derzeit ein Kind in der Schule, das fast blind ist, nur mit Hilfe einer sehr großen und starken Lupe schreiben kann, das alle Hilfestellungen bekommt.

Nun geht es aber um die Integration geistig Behinderter in der Sekundarstufe I als Folge der – ich glaube, ich kann das durchaus so sagen – erfolgreichen Integration in der Volksschule. Ich verstehe durchaus die Angst vieler Lehrer vor dieser schwierigen Aufgabe, bin aber trotzdem zuversichtlich, daß diese Maßnahme positiv umgesetzt werden wird. Ich stehe dazu, wenn ich hier die Meinung vertrete, unsere Lehrer leisten überwiegend Hervorragendes. Wenn es Rufe nach Entlassung von Lehrern von Direktoren oder Schulbehörden gibt, so muß ich sagen, diese Zurufe sind entbehrlich. Es betrifft immer nur ganz wenige Lehrer. Möglichkeiten zur Entlassung hat es auch bisher schon gegeben, und ich möchte dem Schulratspräsidenten ins Stammbuch schreiben, daß diese Zurufe kein Beitrag zu einer positiven Gestaltung der Schulgemeinschaft sind.

Der Lehrerberuf ist derzeit überhaupt ein sehr schwieriger Beruf. Glauben Sie mir das, wenn ich sage, wir haben es mit sehr vielen verhaltensgestörten Kindern zu tun.

Es gibt sehr viele Kinder aus zerbrechenden oder aus zerbrochenen Familien. Ich möchte auch die vielen Miterzieher anführen, und ich denke in erster Linie an das Fernsehen, von dem unsere Kinder jeden Abend einige Gewaltverbrechen oder einige Morde lernen. Es ist also durchaus so, daß die Schule ihre Probleme hat und in dem fünf bis sechs Stunden dauernden täglichen Unterricht nicht all das gutmachen kann, was den Rest des Tages auf unsere Kinder einwirkt.

Tun wir also nicht so, als ob die Integration das einzige Problem der Schule und der Erziehung wäre! – Nur – das sage ich auch – will man den Behinderten helfen, so muß die Gesellschaft – und damit meine ich das Budget – die erforderlichen Mittel bereitstellen. Denn, meine Damen und Herren, ich messe unter anderem den Wert einer Gesellschaft auch daran, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Daher sind die notwendigen Mittel für die Sonderpädagogen, von denen es sicher noch viel zu wenige gibt, vorzusehen, damit die Integration kein Lippenbekenntnis bleibt. Ich hoffe, es setzt sich doch einmal die Erkenntnis durch, daß Hilfe für die Menschen, für mehr Menschlichkeit gut angelegtes Geld ist.

Es wird aber nicht nur am Geld liegen, sondern es wird daran liegen, daß von allen Verantwortlichen positive Stimmung gemacht wird – von den Schulbehörden, aber natürlich auch von den Medien.

Der moralische Appell der Integration ist – klarerweise –, niemanden aus der Gemeinschaft auszuschließen, daher sind Lehrerfortbildung, Lehrerausbildung und Schaffung von Unterrichtsmaterialien notwendig. Denken wir daran, der 1. September 1997 ist nicht mehr weit weg.

Ich kann der Meinung unseres obersten Standesvertreters – ich sage das einmal so –, des Herrn Helm, nicht folgen, wenn er meint, Integration sei ein Verbrechen am Behinderten selbst. Vielleicht ist aber diese Aussage entstellt dargelegt worden oder aus dem Zusammenhang gerissen, anders kann ich mir das nicht vorstellen.

Ich kann aber auch Professor Heitger nicht folgen, der in einem Kommentar schreibt – ich zitiere wörtlich –: Dem Behinderten ist wenig geholfen, wenn er zwar räumlich anwesend ist, aus der gemeinsamen geistigen Arbeit aber ausgegrenzt wird; da wird Integration zur Perversion. – Ende des Zitates.

Ich halte mich lieber an Professor Schönwiese, der in einem Kommentar meint – ich zitiere wieder –: Es geht darum, daß alle Kinder einer Klasse an einem gemeinsamen Gegenstand, aber auf sehr unterschiedlichem Niveau gemeinsam arbeiten und lernen. – Ende des Zitates.

Es ist auch klar, daß die Kinder in den Integrationsklassen nicht nach AHS- oder Hauptschullehrplan unterrichtet werden, sondern ihren eigenen Lehrplan haben werden. Das Lernen


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