Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 160

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Ich erlaube mir, in dieser Sache – ergänzend zu meiner seinerzeitigen Ministeranfrage und Wortmeldung im offenen Haus, in denen ich vor allem Organisatorisches und Technologisches in den Vordergrund stellte – zusätzlich einen Aspekt einzubringen, den ich für wesentlich halte. Die Einführung der Chip-Card für die Patienten ist nicht nur eine Frage der organisatorischen und technologischen Voraussetzungen für die Umstellung von Krankenschein auf ein automatisiertes System, was Arzt, Patienten und Versicherungsorganisationen betrifft. Viel weitreichender ist, daß es sich dabei um eine kulturelle Umstellung handelt, die nicht mit der Vergabe einer Chip-Karte oder mit der Ausstellung eines Lesegerätes zu erledigen ist.

Die hohen Einsparungshoffnungen durch die Chip-Karte anstelle des Krankenscheins sind nur dann zu realisieren, wenn mit der Chip-Card, die ja eine organisatorische Vernetzung schafft, auch die Kommunikationsverbindungen geschaffen werden. Das bedeutet aber für die gegebenen Verhältnisse im österreichischen Gesundheitswesen in erster Linie die Aufarbeitung von Konsensstrukturen.

Mit der Einführung der Chip-Card-Technologie ändern sich Strukturen der Kommunikation und Kooperation zwischen Arzt und Patienten, zwischen Arzt und Versicherungsorganisationen, zwischen Arzt und Arzt und natürlich auch zwischen Patienten und Versicherungsorganisationen. In dieses System werden sich in absehbarer Zeit auch Gesundheitsberatungsorganisationen, Vorsorgeorganisationen und Pharmaunternehmen einmahnen.

Die Änderung im kommunikativen Handling und die damit verbundenen Unsicherheiten sind es – vor allem im Bereich der Ärzte –, welche die Akzeptanz des Systems erschweren werden. Eine von oben durchgesetzte Systemänderung ohne die Sicherstellung der Identifikation der Ärzte mit dem System würde ein unvertretbares allgemeines Mißtrauen bei Arzt und Patient auslösen und zur absichtlich Fehler generierenden Nutzung des Systems führen.

Daher wäre es zuwenig, die mit der Einführung der Technologie erwartbaren Kommunikationsprobleme nur organisatorisch beziehungsweise über den Verordnungsweg zu regeln. Eine auf Akzeptanz des Systems abzielende Vorbereitung der Betroffenen – das sind Ärzte, Patienten und Organisationen – ist unbedingt vorzunehmen. Dies könnte im Rahmen einer umfassenden Studie mit kommunikationsstrategischen Begleitmaßnahmen gelöst werden.

Natürlich sind mir alle geäußerten und angemeldeten Bedenken, wie Datenschutz und so weiter, bekannt. Sie sind zum Teil die Folge der Unkenntnis über die technologische Entwicklung.

Lassen Sie mich deshalb abschließend meine aus der Lebenserfahrung gewonnene Befürchtung aussprechen: Kaum eine Nation wie die unsere verfügt im prozentuellen Anteil der Bevölkerung über eine so große Anzahl hochbegabter Menschen, aber leider auch zur Polarisierung leicht verführbare. Daher werden die Leistungen unserer Bürger im Ausland mehr geschätzt, als wir dazu verpflichtet wären, dies zu tun. Dadurch werden wertvolle geistige, materielle Kapazitäten als Abfall behandelt. Aber Sie wissen ja, daß man in Österreich nicht einmal das Abfallproblem löst, denn sonst würde es schon längst über energetisches und thermisches Recycling gelöst werden.

So befürchte ich, daß der Vorstand der Universität für Kommunikationswissenschaften Professor Dr. Bauer sein Wissen über die Chip-Karte seinen Studenten noch dann weitergeben wird, wenn diese bereits weltweit angenommen und für die Rationalisierung im Gesundheitswesen dort Verwendung gefunden hat.

So befürchte ich auch, daß durch die Verabschiedung des Krankenanstaltenfinanzierungsplanes Weichen gestellt werden, die zur Liquidierung der privaten Krankenanstalten führen, damit anstelle von Kosteneinsparungen durch Konkurrenzausschaltung ein nicht kontrollierbares Finanzierungssystem für die aus Steuermitteln geförderten Krankenanstalten in die Wege geleitet werden kann.

Einen Vorteil wird dies für unsere EU-Nachbarn haben, nämlich: Die ausländischen Versicherungsgesellschaften werden aus der Konkursmasse die privaten Krankenhäuser aufkaufen, und


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