Bundesrat Stenographisches Protokoll 620. Sitzung / Seite 168

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Mitgliedstaat mehr in der Lage ist, seine nationalen Interessen im Rahmen der unwiderruflichen Globalisierung der Welt – und machen wir uns nichts vor, gerade die organisierte Kriminalität hat sich mittels moderner Kommunikationstechniken deren Vorteile schon längst zu eigen gemacht – wirkungsvoll zu vertreten.

Es tritt immer deutlicher zutage, daß eine wirksame Bekämpfung der Kriminalität durch reinen Goodwill der Staaten im Wege der Zusammenarbeit nicht zu erzielen ist. Die absolute Subsidiarität im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung läßt sich nicht mehr aufrechterhalten.

Ich halte es daher für dringend notwendig, daß in besonders sicherheitsrelevanten Bereichen auf europäischer Ebene eine gemeinsame Linie gefahren wird, bei der einzelne Staaten verpflichtet sind, die getroffenen Maßnahmen in ihre nationale Gesetzgebung umzusetzen, soweit dies noch nicht geschehen ist. Als besonders sicherheitsrelevant könnte ich mir – wie eingangs bereits erwähnt – die Bereiche der Waffenkriminalität, der Drogenkriminalität in all ihren Ausformungen, des Terrorismus, des Menschenhandels und der schweren Wirtschaftskriminalität vorstellen.

Meine Damen und Herren! Das Schengener Abkommen, das bisher von Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten, Spanien, Portugal unterschrieben und ratifiziert worden ist, stellt dafür einen richtigen und vor allem dringend notwendigen Schritt zur Verbesserung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet Justiz und Inneres dar. Es hat ohne Zweifel eine Reihe von wichtigen Vereinfachungen mit sich gebracht. Dazu gehören jetzt der generell zulässige unmittelbare Verkehr zwischen den Justizbehörden sowie die unmittelbare Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken, Verbandsurkunden durch die Post. Es besteht auch kein Zweifel daran – das zeigt die praktische Erfahrung aus Deutschland –, daß die Vereinfachung der Geschäftswege im Auslieferungsverkehr die Arbeit der Justizbehörden wesentlich vereinfacht hat, ist doch anstelle des früher üblichen diplomatischen der justizministerielle Geschäftsweg nunmehr zugelassen.

Man muß allerdings eingestehen, daß das Abkommen das eigentliche Problem nicht wird lösen können. Das Ziel von Schengen, Maßnahmen festzusetzen, die einen eventuellen durch den Wegfall der Binnengrenzkontrollen entstehenden Sicherheitsverlust kompensieren sollen, scheint in der momentanen Ausgestaltung des Abkommens nicht ganz erreichbar zu sein. Denn die Dynamik, mit der internationale Verbrecherbanden derzeit operieren, verlangt von seiten der Strafverfolgung ein entschiedenes und schnelles Vorgehen. Leider – ich bedaure das – läßt das Hickhack um Europol bisher nicht darauf schließen, daß sich hier eine entschiedene, schlagkräftige Lösung herausbildet. Mit bloßen Vereinbarungen zwischenstaatlichen Zuschnitts über die Zusammenarbeit zwischen den Behörden wie es Schengen ist, kann man es vorübergehend, aber vermutlich nicht auf Dauer bewenden lassen.

Am deutlichsten zeigt dies vielleicht ein Beispiel aus der Praxis. Das Herzstück des Schengener Abkommens bildet zweifellos das sogenannte Schengener Informationssystem, kurz SIS genannt. Es ist, kurz beschrieben, ein reines Fahndungssystem, das als Datenverbund mit nur einer technischen Zentrale konzipiert ist. Nach dem Vertrag sind alle Vertragsstaaten verpflichtet, über dieses System polizeiliche Daten verfügbar zu machen. Insgesamt sind in diesem System derzeit 3,7 Millionen Datensätze enthalten. Allerdings stammen davon 2,4 Millionen aus Deutschland und etwa 1,2 Millionen aus Frankreich. Das zeigt, daß auch bei den jetzigen Mitgliedern des Schengener Abkommens ein erheblicher Nachholbedarf bei der Zulieferung von Daten für das SIS besteht.

Auch in einem weiteren Bereich der Strafverfolgung in Europa, nämlich der Auslieferung, hat Schengen bloß zu einer Vereinfachung beigetragen. Dennoch gibt es auch hier einige Wermutstropfen. Sowohl in formeller Hinsicht im Verfahrensrecht als auch in materieller Hinsicht bei Delikten, für die eine Auslieferung vorgesehen ist, bestehen nach wie vor spezielle Regelungen, die einer wirksamen Bekämpfung der Kriminalität nicht gerade förderlich sind.

Breiten Raum nimmt im Schengener Übereinkommen auch das Asylrecht ein. Zweifellos wäre es absolut notwendig, das Asyl- und Einwanderungsrecht zu vereinheitlichen, respektive zu vergemeinschaftlichen. Es liegen der derzeit laufenden Regierungskonferenz entsprechende Vorgaben vor. Bedauerlicherweise fehlen noch merkliche Erfolge.


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