Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 36

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Die Konsolidierung der Staatsfinanzen belastet untere Einkommen gerade auch bei Krankheit. Die Erhöhung der Rezeptgebühr und die 50 S Unkostenbeitrag für einen Krankenschein können bei unteren Einkommensgruppen zu Härten führen beziehungsweise dazu, daß Menschen, auch wenn es notwendig ist, nicht mehr zum Arzt gehen. Das heißt, auch hier ist eine soziale Ausgewogenheit nicht erkennbar.

Den Medien war gestern zu entnehmen, daß die Zahl der Krankenstände stark rückläufig ist. Vielleicht liegt das daran, daß uns heuer die Grippewelle noch nicht voll erreicht hat. Vielleicht überlegt sich der eine oder andere aber auch, ob er nicht doch in die Arbeit geht, statt einmal vielleicht einen Tag einzuschieben und zu Hause zu bleiben.

Es kann aber sehr wohl noch einen dritten Grund dafür geben, und der macht mir Angst, nämlich daß es sich manche Menschen nicht leisten können, zum Arzt zu gehen. Das klingt jetzt vielleicht sehr dramatisch. Dabei denke ich jetzt aber nicht an die chronisch Kranken, sondern es sind vor allem größere Familien, bei denen vielleicht auch einmal in kürzeren Abständen mehr Erkrankungen auftreten, sehr stark belastet.

Eine weitere Überlegung ist, inwieweit Arbeitnehmer Angst davor haben, in Krankenstand zu gehen, denn es ist in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit immer so, daß Arbeitnehmer auch bei Krankheit, solange es möglich ist, ihren Arbeitsplatz aufsuchen. Auch die sehr wichtige regelmäßige Gesundenuntersuchung könnte so noch weniger angenommen werden als bisher. Arbeitsunfähigkeit, Invalidenpension, mehr Pflegebedarf belasten dann – vom menschlichen Aspekt abgesehen – die Finanzen des Staates in noch höherem Maße.

Auch das eingeführte Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer ging nicht in Richtung soziale Ausgewogenheit: Jetzt werden ältere Arbeitnehmer eben noch vor dem Stichtag gekündigt.

Sehr geehrter Herr Minister! Ich habe nur einige unterschiedlich gelagerte Beispiele gebracht, um meine eingangs getroffene Feststellung, daß ich die soziale Ausgewogenheit vermisse, zu untermauern. Herr Minister! Ich bitte Sie, machen Sie Ihren Einfluß in der Regierung geltend, um, basierend auf dem vorliegenden Bericht, eine Verbesserung der sozialen Lage zu erreichen.

Danken möchten ich den Damen und Herren Ihres Ressorts, die meiner Ansicht nach einen sehr genauen, gut aufgebauten und sehr klar strukturierten Bericht erstellt haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Fischer. – Bitte.

15.12

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Bundesratskollegen! Der Sozialbereich berührt die Menschen in allen Lebenslagen. Er darf nicht starr sein, sondern er muß ständig angepaßt werden.

Das Berichtsjahr 1995 war gekennzeichnet von Ausgabenkürzungen und von Beitragsmehreinnahmen. Ich darf unserer Sozialpolitik ein Lob aussprechen: Es ist gelungen, den Menschen ein dichtes soziales Netz anzubieten. Ich möchte aber doch einige Themen ansprechen, denn trotz aller Qualität sind Verbesserungen notwendig.

Wir müssen den Familien wieder mehr Bedeutung zukommen lassen. Wir brauchen Regelungen, mit denen wir Alleinerzieherinnen helfen können. Es wird meistens keine für alle beglückende Lösung geben, aber es muß möglich sein, dort zu helfen, wo es Not zu lindern gilt.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite