Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 92

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Den Mitgliedern des Bundesrates wurde die Möglichkeit der Einsichtnahme in die eingelangten Bewerbungen gegeben.

Der Bundesrat hat in seiner 620. Sitzung vom 19. Dezember 1996 die Abhaltung einer Parlamentarischen Enquete beschlossen, die ein Hearing der Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes, für welchen dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt, zum Gegenstand hat.

Die am 14. Jänner 1997 abgehaltene Parlamentarische Enquete zielte darauf ab, den 24 Kandidaten, die sich um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes beworben haben, Gelegenheit zu geben, die Gründe für deren Bewerbung persönlich den Mitgliedern des Bundesrates darlegen zu können.

Ich gebe bekannt, daß mir ein von fünf Bundesräten unterstütztes Verlangen gemäß § 57 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, über den Wahlvorschlag für die Ernennung eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes eine Debatte durchzuführen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.

20.00

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner Einleitung hat der Herr Präsident darauf hingewiesen, daß der Nominierung eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes zur Ernennung durch den Herrn Bundespräsidenten erstmals eine Anhörung aller Bewerberinnen und Bewerber vorangegangen ist.

Ich glaube, auch im Namen vieler anderer Teilnehmer an dieser Anhörung sagen zu können, daß sich das durchaus bewährt hat. Wir können stolz darauf sein, daß diese Auseinandersetzung in einer sehr sachlichen Atmosphäre abgewickelt wurde. – Das waren wir uns zunächst selbst schuldig, weil es nie ganz befriedigend war, Kandidaten zu wählen, die man persönlich vielleicht nicht ausreichend kannte und von denen man sich kein Bild machen konnte.

Schließlich sind wir es auch den Bewerberinnen und Bewerbern schuldig, daß sie das Gefühl haben, daß man sich mit ihrem Interesse an einem ganz wichtigen öffentlichen Amt ernsthaft auseinandersetzt und nicht den Eindruck vermittelt, daß ihre Bewerbung ohnedies nur zu den Akten gelegt worden wäre. Ich meine, daß das für die politische Kultur in diesem Land ein ganz wichtiger Beitrag war.

Allerdings muß man sich auch dessen bewußt sein, daß ein solches Hearing nur Teil der Entscheidungsfindung sein kann, jedoch niemals die Entscheidung vorwegnehmen oder ersetzen kann. Ein solches Hearing in Form einer Aussprache mit dem Kandidaten rundet das Bild ab, das man sich aufgrund seiner früheren Kenntnis der einzelnen Person und aufgrund der Bewerbungsunterlagen machen konnte. Es kann aber keinesfalls das Bild selbst sein.

Wir haben heute eine zweite Premiere in diesem Zusammenhang: Es findet erstmals eine Debatte über eine solche Nominierung statt. Ich denke, auch das ist ein begrüßenswerter Fortschritt, und meine, daß wir als Fraktion, die einen Vorschlag eingebracht hat, die Verpflichtung haben, die Gründe für unsere Entscheidung darzulegen, insbesondere auch jenen, die am Hearing nicht teilnehmen konnten und die vorgeschlagene Person daher vielleicht gar nicht kennen. Wir sind es auch den anderen Bewerbern schuldig, transparent zu machen, warum wir uns für eine bestimmte Lösung entschieden haben. Und wir sind es schließlich, wie ich meine, auch dem Herrn Bundespräsidenten schuldig, der die Ernennung auszusprechen hat, wenngleich er jetzt nicht mehr die Möglichkeit hat, aus einem Dreiervorschlag eine ihm geeignet erscheinende Person auszuwählen.

Wir schlagen vor – das ist bekannt –, Frau Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann dem Herrn Bundespräsidenten zur Ernennung als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes namhaft zu machen. Ich bitte insbesondere jene um Vergebung, daß ich sie nochmals kurz vorstelle, die schon beim


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