Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 66

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aber davon aus, daß eine Betriebsvereinbarung zustande gekommen ist. Dann muß zweitens im Falle einer Firmenfusion der neue Eigentümer eine Betriebsvereinbarung erst einmal akzeptieren. Aber gerade in einer Zeit, meine Damen und Herren, in der Firmenfusionen an der Tagesordnung stehen, stellt dieses Ziel der Novelle eine Verhöhnung der Arbeitnehmer dar. Drittens sind Betriebsvereinbarungen in der Praxis immer zeitlich begrenzt. Das heißt in der Tat, daß die Arbeitnehmer immer unter Druck stehen und erpreßbar sind. Allein das Bewußtsein, daß eine Betriebsvereinbarung zeitlich verlängert werden muß und immer von der Gunst des Arbeitgebers abhängig ist, stellt für die Arbeitnehmer einen unerträglichen Zustand dar. Daher ist diese Novelle kein Ruhmesblatt für die österreichische Arbeitnehmerpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Außerdem fehlen bei beiden Novellen die begleitenden beziehungsweise flankierenden Maßnahmen. Dazu gehört die Sicherung der Fahrtmöglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Novelle wird bewirken, daß Pendler in Hinkunft gezwungen sein werden, wieder mit den Privatfahrzeugen zur Arbeit zu fahren.

Weiters fehlen Rahmenbedingungen im Hinblick auf angepaßte Kinderbetreuungseinrichtungen. Das Problem der Alleinerzieher interessiert die Architekten dieser Novellen überhaupt nicht, denn sie könnten sonst nicht in dieser Form vorliegen. Überdies ist im vorliegenden Entwurf kein Ansatz vorhanden, die Öffnungszeiten von Ämtern, Schulen und ähnlichen Einrichtungen zu berücksichtigen. Behördenwege, Erledigungen und vieles mehr wird für viele Arbeitnehmer in Zukunft nicht mehr möglich sein.

Meine Damen und Herren! Nicht zu vergessen ist, daß jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereit sind, mehr zu arbeiten und mehr zu leisten, aufgrund dieser Vorlage in Hinkunft um ihre Überstundenzuschläge umfallen werden. Als unrühmliche Krönung dieser Novellen stellt sich heraus, daß künftig den Schlichtungsverfahren im Kollektivvertragsbereich die Rechtsgrundlage entzogen sein wird. Meine Damen und Herren! Das bedeutet in der Praxis, daß Arbeitnehmer in Hinkunft ihr Recht nicht mehr beim Arbeitsgericht einfordern können, sondern allenfalls beim Salzamt oder sonstwo.

Wenn die vorliegende Novelle Ihren Zielen als Regierungsparteien entspricht, meine Damen und Herren, dann sollten Sie die Courage haben, Ihren Arbeitnehmern im gleichen Atemzug auszurichten, daß Sie mit Ihrer Gewerkschaft in Zukunft nicht mehr für Arbeitnehmer zuständig sein werden. Haben Sie auch diesen Mut!

Meine Damen und Herren! Das Begutachtungsverfahren wurde ausgeschaltet. Die Regierungsparteien haben sich vor den Einsprüchen der Betroffenen gefürchtet und deshalb die Novellen in Form eines Initiativantrages eingebracht. Das Begutachtungsverfahren wurde bewußt umgangen. Man kann nur sagen: Gratulation, Herr Verzetnitsch von der SPÖ! Gratulation, Herr Maderthaner von der ÖVP! Wir wissen jetzt, was Ihnen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich wert sind! Wir wissen jetzt auch, was Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP, Kirchen und Religionen wert sind! (Bundesrat Bieringer: Wir haben darauf gewartet, daß die FPÖ mit der Kirche Politik macht!) Herr Kollege Bieringer! Die Bedeutung, die die fleißigen Arbeitnehmer für Sie haben, dokumentieren Sie mit diesem Schritt!

Meine Damen und Herren! Die freiheitliche Fraktion wird sich nicht für diesen Schritt hergeben. Ich komme auf das Anfangszitat zurück. Wenn man den Verlauf dieser Gesetzwerdung kennt und den Inhalt dieser Novellen liest, dann kann man nur mit Goethe schließen: "Ein politisch’ Lied, ein garstig’ Lied" dieser Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Aloisia Fischer. Ich erteile es ihr.

12.58

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Eine Befragung hat ergeben, daß für unsere Menschen in Österreich das Wohlergehen der Familie an erster Stelle steht. Aber schon


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