Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 85

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Holland, der Anteil der Selbständigen durchaus gestiegen ist und beispielsweise in Holland schon um rund ein Drittel, also um rund 30 Prozent, höher liegt als in Österreich, auch in der Bundesrepublik Deutschland wesentlich höher ist als in Österreich, und wenn Österreich im europäischen Vergleich, was die Selbständigen-Quote betrifft, überhaupt nur an vorletzter Stelle liegt, dann gibt es sicher Gründe dafür. Gründe dafür sind sicher die jahrelange Bevorzugung der Gemeinwirtschaft, die jahrelange Bevorzugung der öffentlichen Hand, die jahrelange Bevorzugung des geschützten Sektors, aber auch der reglementierte Zugang zur Gewerbeausübung durch Befähigungsnachweis und ähnliche Erschwernisse.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang sieht man eigentlich, wie fortschrittlich schon Kaiser Franz Joseph gewesen ist. Kaiser Franz Joseph hat schon vor knapp 150 Jahren – Herr Präsident, ich freue mich über Ihre Zustimmung –, nämlich im Jahre 1859, das restriktive Konzessionssystem des Zunftwesens beseitigt. Er hat eigentlich eine für die damalige Zeit fast fremdartig liberale Gewerbeordnung geschaffen. Vielleicht war sie auch für Kaiser Franz Joseph sehr liberal, aber seine Berater haben es jedenfalls geschafft – sicherlich waren dort auch schon sehr viele Freiheitliche bei der Entscheidungsfindung dabei, sonst hätte das bestimmt nicht geschehen können. Die Gewerbeordnung des Jahres 1859 ist aber sicher liberaler als die heutige.

Meine Damen und Herren! Der Grundgedanke war durchaus logisch, nämlich die gewerbliche Tätigkeit nur insoweit zu beschränken, als man Rücksicht auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit nehmen muß. In der Monarchie hat es – Sie werden es kaum glauben! – nur 14 konzessionierte Gewerbe gegeben. Wer darüber hinaus ein Gewerbe antreten wollte, hat einfach eine Anzeige an die Behörde erstattet.

Dem heutigen Vizekanzler Dr. Schüssel war es vorbehalten, mit der von ihm vorgelegten und initiierten Gewerberechtsnovelle 1992 eine Reihe von überzogenen und unsachlichen Erschwernissen einzuführen: erstens die im internationalen Vergleich nach wie vor zu langen Ausbildungszeiten, zweitens die geforderte Dauer der praktischen Verwendung und drittens die mangelnde Flexibilität bei der Regelung des Übertritts zu anderen Gewerben.

Meine Damen und Herren! All diese Schwächen konnten durch die vorliegende Novelle natürlich nicht beseitigt werden. Aufgrund eher leidvoller Erfahrungen gehen wir davon aus, daß die Bundesräte beider Regierungsparteien geschlossen für diese Vorlage stimmen werden, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, daß alle Bundesräte in diesem Hohen Haus mit dieser Vorlage einverstanden sind.

Ich darf in diesem Zusammenhang den Präsidenten der Wirtschaftskammer Niederösterreich zitieren. Herr Ing. Peter Reinbacher, der der Volkspartei angehört, hat gesagt: "Es kann wohl nicht sein, daß die Bundesregierung gerade jetzt eine Gewerbeordnung beschließt, die fast zwangsläufig zum Arbeitsplatzkiller in Handel und Gewerbe werden muß." – Das meinte der Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich.

Weiters: "Das Präsidium des Wirtschaftsbundes hat der im Ministerrat eingebrachten Fassung der Gewerbeordnung ausdrücklich nicht zugestimmt."

In der "Niederösterreichischen Wirtschaft", der Wochenzeitung der niederösterreichischen Unternehmer, ist unter der Überschrift "Gewerbeordnung im Kreuzfeuer" zu lesen: "Mit einer Vielzahl an praktischen Beispielen zeigte die Sektion Gewerbe und Handwerk NÖ bei einer Pressekonferenz jene Wettbewerbsverzerrung zwischen Bauern und Gewerbe auf, die bei Beschlußfassung des Regierungsentwurfes zur Novellierung der Gewerbeordnung drohe. Schon jetzt hätten viele Bauern unerlaubt gewerbliche Tätigkeiten ausgeführt, insbesondere bei den Fleischern, Bäckern, Konditoren, Zimmerern, Landschaftsgärtnern und Molkern. ,Das war gerade noch erträglich. Aber jetzt soll das legalisiert werden, und weitere Nebenrechte kämen dazu ...‘, empört sich Sektionsobmann Komm.Rat Johann Girschik." Und in dieser Tonart geht es weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So lange die Bauern, die Landwirte nicht mit den klein- und mittelständischen Unternehmen positiv zusammenarbeiten, solang werden beide,


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