Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 146

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nicht herunterzumachen, sondern diesen Einrichtungen jenen Platz einzuräumen, der ihnen zukommt.

In Zukunft muß man nämlich Berufsausbildung und Berufsbildung in einem sehr engen Zusammenhang sehen. Es ergeben sich unzählig viele neue Chancen, vor allem für junge Mädchen und Burschen, die ihre Berufsausbildung im dualen Ausbildungssystem, sprich: im Lehrbetrieb, erfahren, eine Lehrabschlußprüfung erfolgreich abgelegt oder eine dreijährige Fachschule, Krankenpflegeschule oder Schule für den medizinisch-technischen Fachdienst abgeschlossen haben.

Ich möchte heute aber auch darauf hinweisen, daß die Prognosen für den Lehrstellenmarkt 1997/98 für den Fall, daß nicht gegen gesteuert wird, nicht sehr positiv sind. Es gibt eine sehr starke Nachfrage nach offenen Lehrstellen und bedauerlicherweise ein sinkendes Angebot an offenen Lehrstellen. Daher ist es zu begrüßen, daß die Bundesregierung und die Sozialpartner ein sehr umfassendes Sonderprogramm für die Jugendbeschäftigung beschlossen haben.

Wir müssen wahrscheinlich im heurigen Herbst von einem Bedarf von 10 000 bis 12 000 Ausbildungsplätzen ausgehen, welchem derzeit nur etwa 3 000 offene Lehrstellen gegenüberstehen. Wir sollten uns auch vergewissern, daß sich die Situation in den kommenden Jahren nicht bessern wird, da es nach wie vor eine große Anzahl von PflichtschulabgängerInnen geben wird. – Ich möchte daher hier die bescheidene Bitte an die Wirtschaft und an die Arbeitgeber richten, mehr Lehrstellen als in den vergangenen Jahren bereitzustellen!

Ich stehe auch nicht an, hier positive Beispiele anzuführen: So hat vor wenigen Tagen der Präsident der Industriellenvereinigung, Mitterbauer, mittels eines offenen Briefes seine Mitglieder aufgefordert, zusätzlich Lehrlinge einzustellen: 120 000 Lehrlinge gibt es in Österreich, 14 000 davon werden hochqualifiziert in der Industrie ausgebildet. Präsident Mitterbauer hofft, zu den jährlich 4 000 weitere 1 000 Lehrstellen anbieten zu können. Mit sehr gutem Beispiel geht aber auch die Gemeinde Wien voran: Zu den vorgesehenen 140 Lehrlingen der Stadt Wien und den 76 Lehrlingen bei den Wiener Stadtwerken werden auf Initiative der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten zusätzlich 100 Lehrlinge, also insgesamt 316 Lehrlinge, von der Gemeinde Wien aufgenommen werden. Ich hoffe, daß sich diesem positiven Beispiel auch andere Städte, Länder und Gemeinden anschließen werden.

Nach den heutigen Erkenntnissen und den vorliegenden Anmeldezahlen bei den Berufsbildenden Mittleren Schulen und Höheren Schulen ist auch bei diesen eine stärkere Nachfrage zu bemerken und mit einer stärkeren Nachfrage zu rechnen. Diese stärkere und steigende Nachfrage ist aber mit den derzeit zur Verfügung stehenden Lehrstunden nicht abzudecken. Das bedeutet für uns und für die Verantwortlichen, daß Sofortmaßnahmen ergriffen, also zusätzliche Plätze auch im berufsbildenden Schulwesen eingerichtet werden müssen. Die Kosten für diese Sofortmaßnahmen sind natürlich vom Bund, aber auch von den Ländern und vom Arbeitsmarktservice aufzubringen.

Meine Damen und Herren! Ein wesentlicher Beitrag dazu, daß die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich – sie liegt derzeit bei 3,9 Prozent – weiterhin so gering als möglich gehalten werden kann, waren sicherlich die Einigung der Sozialministerin und des Herrn Bundesministers Farnleitner beim Lehrlingsgipfel im Februar und die Vorlage des Sonderprogramms der Bundesregierung vor 14 Tagen. Das ist notwendig, damit wir nach wie vor einen sehr großen Abstand zur Jugendarbeitslosigkeit im übrigen Europa halten können. Diese beträgt durchschnittlich 21 Prozent in unserem Nachbarland, im Süden Italiens über 30 Prozent, im Norden Finnlands 23 Prozent und im Musterland Großbritannien 15 Prozent.

Die Sozialpartner haben sich auf folgende Reformpunkte mit den beiden Ministern geeinigt: Die Berufsschulzeit kann auf Wunsch im Block absolviert werden. Die Ausbilderprüfung kann durch eine Kursmaßnahme ersetzt werden. Die Lehrlingsstellen sollen durch eine sozialpartnerschaftliche Regelung modifiziert werden. Die Sozialpartner sollen Modelle für Gruppenlehrberufe erarbeiten, mit dem Ziel einer besseren und höher qualifizierten Ausbildung. Verstärkte Überlegungen sind anzustellen, um neue Lehrberufe im Bereich der Telekommunikation, der elektro


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