Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 151

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Ich möchte auf einen Aspekt in der Vorbereitung zur Studienberechtigungsprüfung oder Berufsreifeprüfung hinweisen. Es erscheint vielleicht verwunderlich, wenn ich das jetzt vom Standpunkt des Lehrers aus betrachte. Meiner Ansicht nach sind wir sehr großem Druck ausgesetzt, wenn wir mit Erwachsenen zu tun haben und deren Bemühen sehen, aber zugleich wissen, daß sie der Aufgabe nicht gewachsen sein können.

Als Denkanstoß möchte ich Ihnen mitgeben, daß Sie sich vorstellen, inwieweit irgendwann einmal vielleicht wir, die Ausbildenden, die Lehrer diesem Druck nicht mehr standhalten und unsere Forderungen reduzieren könnten, weil wir meinen, daß man ein Scheitern einem Menschen nicht antun kann, der so viel investiert hat. Sie alle haben in Ihren Ausführungen dargelegt, welch harter Weg das ist. Jemandem nach der Hälfte der Ausbildung klarmachen zu müssen, daß er das Ziel nicht erreichen wird, ist ein menschliches Problem.

Ich weise auf die Gefahr hin, daß Lehrer so weit unter Druck kommen könnten, daß sie sagen: Nun ist er schon so weit fortgeschritten, also soll er auch zu einem Abschluß kommen. (Bundesrat Meier: Aber auch in anderen Schultypen ist das so!) Ich sehe es als menschliches Problem und möchte – darin finde ich mich wieder mit Kollegin Mühlwerth – vermeiden, daß gute Initiativen in der Praxis schließlich nach dem Motto gehandhabt werden: Dort habe ich die Möglichkeit einer billigen Matura.

Aus diesen Gründen und aus denen, die meine Kollegin schon angeführt hat, werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

20.18

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche nur zum Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung. Ich wäre gerne auf die Ausführungen von Frau Kollegin Mühlwerth eingegangen, kann das aber jetzt nicht tun und mußte deshalb zu Zwischenrufen greifen.

Es wurde bereits dargelegt, wer berechtigt ist, die Berufsreifeprüfung abzulegen. Ich meine, daß auch dafür Anstrengungen, Fleiß, Können und Begabung notwendig sind, genauso wie für die Matura für Erwachsene, im Gymnasium für Berufstätige. Ich trete nicht dafür ein, daß damit eine Billigmatura auf Umwegen geschaffen wird. Ich glaube auch nicht, daß man jemandem den Weg so vorschreiben sollte: Du bist an der Hauptschule, und damit du zur Matura kommst, machst du den Polytechnischen Lehrgang, absolvierst deine Installateurlehre und gehst schließlich diesen Weg.

Ich glaube vielmehr, daß Menschen, die aus irgendeinem Grund diese Entscheidung zunächst nicht getroffen haben – vielleicht auch deshalb nicht, weil sie sich ihrer Begabung nicht bewußt waren –, den Bildungsweg auch noch gehen können sollen, nachdem ihnen "der Knopf aufgegangen ist". Ich glaube nicht, daß es sehr viele sein werden, die den Weg über die dreijährige Fachschule und eine abgeschlossene Berufsausbildung gehen, aber einige werden es doch sein. Dies ist eine zusätzliche Möglichkeit, zur Matura und damit zu all den Möglichkeiten zu kommen, die die Matura bietet. Dabei ist völlig klar, daß gewisse Fächer – etwa Latein, Darstellende Geometrie oder was auch immer – auch später noch nachgeholt werden müssen. Wer das anstrebt, muß auch dort seinen Mann oder seine Frau stehen.

Über das Gymnasium für Berufstätige möchte ich sagen, daß ein Interessent nicht daran gebunden ist, ein solches Gymnasium, das es meistens nur in größeren Städten gibt, zu besuchen, sondern daß er es auch über die Berufsschule – dafür müßten wir sicherlich noch den einen oder anderen Paragraphen im Schulorganisationsgesetz ändern – oder letzten Endes, schwierig genug, sogar mit einem Fernstudium schaffen könnte. Ich glaube, es ist für diese Fälle ein gutes Gesetz. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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