Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 217

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Zum Gesetz selbst. An und für sich – das haben Sie aus meinen bisherigen Ausführungen schon gesehen – stehe ich dem Gesetz und auch den Neuerungen sehr positiv gegenüber. Dennoch muß ich an einigen Bestimmungen Kritik üben. Es gibt eine Reihe von Veränderungen, die man als Eingriff ins Arbeitsrecht, nicht in das Arbeitsrecht direkt, sondern in Grundlinien des Arbeitsrechts, bezeichnen kann, und diese Grundlinien, die bisher vorhanden waren, werden dadurch verletzt.

Ein Beispiel: Wenn man in der Insolvenz ein befristetes Dienstverhältnis einem unbefristeten gleichsetzt, das man durch das Insolvenzverfahren auf einmal kündigen kann, dann ist das doch ein direkter Eingriff in eine Grundlinie, den ich nicht ganz verstehen kann und auch nicht will.

Auch im Bereich der gesicherten Ansprüche ist es nicht mehr so wie vor 20 Jahren. Von aufrechten, nicht verjährten Ansprüche wurde im § 1 gesprochen, und da gibt es jetzt einen § 3a – daß er sich "hineingeschwindelt" hat, möchte ich nicht sagen, dieser § 3a ist natürlich mit Vorsatz hineingekommen –, und in diesem heißt es: Es gelten nur mehr jene Ansprüche als gesichert und aufrecht, die nicht vor mehr als sechs Monaten vor dem Stichtag, also vor der Eröffnung der Insolvenz, Konkurs, Ausgleich oder Abweisung mangels Masse, entstanden sind. Ältere Ansprüche werden nur dann vom Fonds abgefangen, wenn sie gerichtlich geltend gemacht wurden und das Verfahren – so heißt es im Gesetzestext – gehörig fortgesetzt wird.

Ich selbst habe in der Praxis in den Jahren 1980 und 1981 mit dem jungen Gesetz sehr viel zu tun gehabt – in unserer gemeinsamen Fachgewerkschaft (zu Ministerin Hostasch gewandt) – und weiß daher, daß es auch Forderungen auf laufendes Entgelt, Monatslöhne gibt, die wesentlich älter sind. Was bedeutet das? – Wir haben gestern hier eine Diskussion über die Überlastung von Gerichten gehabt. Auch der Präsident der Arbeits- und Sozialgerichte Ziegler hat sich in der letzten Zeit einmal dahin gehend geäußert, daß die Gerichte überlastet wären. Das ist eine Feststellung, die man so hinnehmen kann, da ist tatsächlich etwas dran. Nur mit dieser Gesetzespassage wird der Druck auf die Arbeitsgerichte – ich sage es jetzt in der Kurzform – natürlich noch größer.

Ich weiß schon, daß die andere Maßnahme, die in Diskussion war, nämlich ein schriftliches Anerkenntnis vom Arbeitgeber gelten zu lassen, unter Umständen mit dem Fragezeichen des Mißbrauchs versehen werden könnte.

Ich meine, daß es schwierig sein wird, Arbeitnehmer, die vielleicht auf ein Überstundenentgelt für Leistungen, die ein bißchen älter als sechs Monate sind, warten, unbedingt zu Gericht zu drängen. Das ist meines Erachtens ein Fehler im Gesetz, den wir bei nächster Gelegenheit korrigieren sollen. (Bundesrat Weilharter: Stimmen Sie dem von Ihnen erkannten Fehler zu?) Ich würde nicht darüber reden, wenn ich nicht diesen Fehler als Fehler sehen würde. Dennoch, im Sinne des Gesamten, weil eine Reihe notwendiger Maßnahmen in der Novelle enthalten ist, werden wir zustimmen. Ich nehme das vorweg.

Präsident Ziegler hat auch gemeint – mit dieser Idee kann ich mich überhaupt nicht anfreunden –, um die Flut bei den Arbeitsgerichten einzudämmen, müßten die Arbeitnehmer einen Selbstbehalt vorgeschrieben bekommen. Das, so glaube ich, war eine vom Gerichtspräsidenten zuwenig überlegte Äußerung. Es hat dann einige Reaktionen darauf gegeben, aber ich hoffe, daß diese Überlegung schubladiert wird und dort dem Verstauben anheimfällt.

Eine weitere Problematik ergibt sich für mich durch die Ausgrenzung von Personen, die bisher ihre Ansprüche geltend machen konnten. Und das ist vom Ansatz her nicht unrichtig: Wenn keine Beiträge entrichtet werden, sollen auch keine Ansprüche geltend gemacht werden können. Mein Ansatz für eine Lösung dieses Problemkreises wäre gewesen, auch für diese Personen Beiträge de facto vorzuschreiben.

Das waren meine Kritikpunkte zur vorliegenden Novelle. Es gibt aber natürlich auch sehr viel Positives. Positiv ist die Absicherung der Vorfinanzierung im sogenannten Reorganisationsverfahren. Das wurde gestern diskutiert, weil es an und für sich eine andere Gesetzesmaterie ist, aber ich sehe in diesem Verfahren den Versuch, Betriebe vor dem Insolvent-Werden und damit auch die Arbeitsplätze zu retten, die wir brauchen. Das ist ein guter Versuch, bevor es zu

 


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