Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 55

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tungsprobleme bei der Bildung einer eigenen Meinung – vor allem mit den Begriffen, die in den letzten Monaten vorwiegend diskutiert wurden. Kein Mensch weiß, was "NATO-neu" ist. Es gibt eine europäische NATO. Soll man die Russen in die NATO einbinden? Sind Neutralität und NATO-Beitritt vereinbar? Müssen in der Zukunft junge Männer, Söhne im Ausland ihr Leben riskieren?

Das Berufsheer ist auch schon angesprochen worden, daher erlaube ich mir, hierzu einige Anmerkungen zu machen: Berufsheer – ja, Berufsheer – nein? Wie sehen Kosten und politische Kontrolle eines Berufsheeres in Österreich aus?

An die Adresse der NATO-Beitrittsbefürworter, die das in einer euphorischen Form machen: Völlig unklar – ich hoffe, nicht den politischen Verantwortungsträgern – sind die etwaigen Kosten eines NATO-Beitrittes. Wie hoch ist der jährliche Beitrag Österreichs zum NATO-Budget? Was kostet uns die Anpassung des österreichischen Bundesheeres an die bestehenden NATO-Systeme? Wie hoch wird der Personalaufwand Österreichs beziehungsweise des österreichischen Bundesheeres für die NATO-Administration in Brüssel sein? – Der Herr Bundesminister hat vor einer halben Stunde beklagt, daß wir aus der bestehenden Administration der NATO in Brüssel ausziehen müssen und dort die Polen, die Ungarn, die Tschechen und vielleicht noch andere einziehen werden.

Der Umbau der NATO und die Neustrukturierung eines europäischen Sicherheitssystems können meiner Meinung nach die UNO und die OSZE nicht ersetzen. Und es darf keinesfalls zu einer Abwertung – ich glaube, daß das auch nicht geplant ist – dieser beiden Organisationen kommen. Ich meine, daß eher das Gegenteil der Fall sein sollte. Die Einbettung einer "NATO-neu" in UNO und OSZE erscheint mir vor allem wegen der militärischen Friedenseinsätze unbedingt notwendig. Ich könnte mir auch vorstellen, daß eine kleine, aber schlagkräftige ständige Eingreiftruppe Europas zu diesem Zweck installiert wird und der UNO bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden kann.

Sie, Herr Minister, haben sich am 14. Juli beim Sonderparteivorstand der Österreichischen Volkspartei uneingeschränkt für eine Vollmitgliedschaft der NATO ausgesprochen. Ich habe gestern in einer APA-Aussendung gelesen, daß Sie unter Anführungszeichen "scheinbar" verkündet haben, daß die Entscheidung über den NATO-Beitritt Österreichs erst im Jahre 1999 fallen wird. – Vor wenigen Minuten haben Sie uns gesagt, daß diese im Frühjahr 1998 fallen muß!

Sie gehen in dieser Presseaussendung davon aus, daß auch die SPÖ dafür sein wird. (Bundesrat Bieringer: Die SPÖ ist sicher dafür!) Sie meinen weiters, wenn ÖVP, FPÖ und SPÖ schlußendlich dafür sind, dann wird auch die gesamte Bevölkerung automatisch dafür sein.

Ich glaube, daß das ganz leicht ein Trugschluß werden kann, und ich würde mich nicht allein darauf verlassen. (Bundesrat Eisl: So wie beim Euro!) Ich glaube, daß es zu wenig ist, wenn man sich als Parteivorsitzender darauf verläßt, daß es genügt, ein Bekenntnis abzugeben. Ich meine, daß es notwendig ist, sich mit der Bevölkerung in dieser Frage ernsthafter auseinanderzusetzen. (Bundesrat Eisl: Genau wie beim Euro!)

Das veranlaßt mich auch, nun einige Anmerkungen zu der immer wiederkehrenden Diskussion über die Neutralität Österreichs zu machen. Die Neutralität war zur Zeit ihrer Einführung eindeutig ein Instrument der Friedenspolitik, und sie ist es heute noch, wenn auch – das sei hier auch erwähnt – in einer anderen Form. Die Frage, ob sie auch morgen noch das optimale Friedensinstrument für unser Land sein wird oder ob vielleicht aus anderen Gesichtspunkten eines immer enger werdenden, zusammenwachsenden Europas eine neue Position Österreich nötig werden wird, ist nicht so leicht vom Stand aus, wie man bei uns sagt, zu beantworten.

Vorteilhaft für Österreich ist, daß wir nicht unter einem unmittelbaren Entscheidungsdruck stehen und somit Zeit haben, uns mit der Bevölkerung auseinanderzusetzen. Daher ist es auch nicht notwendig, sich schon heute jenen anzuschließen, die den sofortigen bedingungslosen NATO-Beitritt Österreichs anstreben. Wir sollten vielmehr in die Überlegungen miteinbeziehen, wie das Konzept "Partnerschaft für den Frieden" erweitert werden könnte, um auch andere


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