Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 113

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Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der gegenständliche Gesetzesbeschluß trägt dem Umstand Rechnung, daß die für Untersuchungsausschüsse relevanten Verfahrensbestimmungen in einem Anhang zum GOG zusammengefaßt werden sollen, um Querverweisungen und die damit verbundenen Probleme mit der sinngemäßen Anwendung von anderen Gesetzen zu vermeiden.

Nachdem der Bericht schriftlich aufliegt, werde ich von einer weiteren Verlesung Abstand nehmen und stelle namens des Rechtsausschusses den Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

16.57

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Dem vorliegenden Gesetzesvorhaben wird meine Fraktion nicht zustimmen. Diese Ablehnung beruht – das lege ich bewußt offen – entscheidend darauf, daß die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nicht als Recht der parlamentarischen Opposition anerkannt worden ist. Zwar räume ich ein, daß dieser allerdings zentrale Einwand nicht unmittelbar die Frage betrifft, ob es dem Nationalrat gelungen ist, adäquate Verfahrensregeln für solche Untersuchungsausschüsse zu entwickeln.

Meine Fraktion lehnt also diese Vorlage zweifellos primär deshalb ab, weil eben die Einsetzung von Ausschüssen der parlamentarischen Opposition nicht als Minderheitenrecht eingeräumt worden ist. Davon unabhängig bestehen aber durchaus auch Bedenken gegenüber zahlreichen konkreten Verfahrensbestimmungen. Gewiß ist die Angleichung der Ausschußprozedur an rechtsstaatliche Verfahrensgesetze im Grundsatz voll anzuerkennen.

Im einzelnen hebe ich aber folgende Kritikpunkte hervor:

Wieso wird im Interesse des Rechtsschutzes der Auskunftspersonen neben der Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson auch ein eigener Verfahrensanwalt geschaffen? Wird einem Vorsitzenden eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterstellt, daß er seine Aufgabe nicht gesetzmäßig zu vollziehen vermag, daß er auch Grund- und Persönlichkeitsrechte, insbesondere das Prinzip eines fairen Verfahrens, zu beurteilen und zu wahren nicht in der Lage ist? Welch erstaunlicher Mißtrauensvorschuß!

Genügt nicht wenigstens eines der beiden Korrektive? – Als Vertrauensperson kann immerhin auch ein Rechtsanwalt beigezogen werden. In keinem sonstigen Verfahren, ob Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahren, kann eine Auskunftsperson oder ein Zeuge einen Rechtsbeistand beziehungsweise einen Rechtsanwalt einschalten. Warum dann dies nur in Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen?

Nimmt man an, daß hier keine rechtsstaatlichen Garantien gewahrt werden? Hält man umgekehrt die hier einvernommenen Personen, zumeist mehr oder weniger hochrangige Politiker oder höhere bis höchste Beamte der Ministerialbürokratie, für schutzwürdiger als sonstige Zeugen oder Auskunftspersonen in anderen behördlichen Verfahren, obwohl es dabei zumeist um gerichts- beziehungsweise behördenunerfahrene Personen geht?

Das vorrangig verankerte Prinzip, daß niemand sich selbst belasten muß, gilt im Strafverfahren zweifellos. Es ist eng mit dem Anklageprinzip beziehungsweise mit der Unschuldsvermutung verbunden. Insoweit eine strafrechtliche Verantwortung in Betracht kommt, verstehe ich die in der vorliegenden Geschäftsordnung vorgenommene Einschränkung der Wahrheitsfindung. Hingegen gilt dieser Grundsatz im Zivilprozeß keineswegs. Vielmehr ist dort die uneingeschränkte


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