Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 157

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"Bühne frei!" sagen Sie, Herr Staatssekretär, und der Herr Bundeskanzler für Ihren Günstling Otto Mühl, der seine faschistoiden Methoden bis heute mit Kunst beziehungsweise Künstlertum zu legitimieren versucht. Ich habe dieses Buch mitgebracht, nicht, weil ich die Ferkeleien und Schweinereien des Herrn Mühl hier einem breiteren Publikum zur Kenntnis bringen möchte, sondern weil im Vorwort zu diesem Buch genau die Geisteshaltung vertreten wird, die auch Kollege Himmer schon angesprochen hat, genau die Geisteshaltung, aus der man versucht, den Herrn Mühl als Opfer darzustellen. Da heißt es nämlich:

"Das Denken Otto Mühls ist wahrhaft libertär – im ursprünglichen Sinne des Wortes im 17. Jahrhundert: freigeistig, ohne jede Rücksicht auf die herrschenden sozialen, ethischen, metaphysischen und religiösen Konventionen. ...

Die Haft beweist, daß der Staat selbst die Abweichungen, die seine Existenz rechtfertigen, schafft – vorgeblich um sie auszumerzen. ... Ausbeutung, Gewalt und Entfremdung, um die offenkundigsten Grausamkeiten zu nennen, gehen vom Staat aus, der angeblich dazu dient, sie zu bekämpfen. ...

Im Kampf gegen die vom Christentum produzierten sozialen Neurosen greift Mühl frontal die Familie an, kritisiert Vater- und Mutterschaft des kapitalistischen Regimes", und so weiter. – Der Staat ist also der Verbrecher und nicht Herr Mühl.

Dann kommt man zu dem Schluß, daß man sagt: "Nach wie vor ein Feind der Konventionen, immer noch und mehr denn je rebellisch und aufsässig, nach sieben Jahren Gefängnis, zur Stunde, wo das Zu-Kreuze-Kriechen jenen draußen eine zweite Natur geworden zu sein scheint, wird er zwar geschwächt, krank, physisch angegriffen, doch aufrecht herauskommen."

Aufrecht kommt Herr Mühl aus dem Gefängnis. Aufrecht heißt ohne Reue, aufrecht heißt ohne Schuldbewußtsein und ohne Schuldbekenntnis, aufrecht heißt ohne Bedauern für seine Opfer. Auch Sie, Herr Staatssekretär – das bedauere ich –, haben heute kein Wort des Bedauerns für die Opfer von Otto Mühl gefunden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

"Bühne frei!" sagen der Herr Bundeskanzler und Sie, Herr Staatssekretär, für Ihren Günstling Otto Mühl auch im ORF. Es gab Sondersendungen anläßlich seiner Freilassung aus dem Gefängnis, in denen reihenweise Freunde des Herrn Mühl auftreten und sagen durften, daß man Herrn Mühl mit anderen Maßstäben messen müsse. Er sei ja ein Künstler, er hätte diese Dinge, die ich jetzt nicht noch einmal wiederholen möchte, zu seiner künstlerischen Entwicklung gebraucht. Das müsse man anders sehen als bei einem gewöhnlichen Menschen. Herr Mühl sei kein Verbrecher, er sei ein Künstler. Es hat Sondersendungen in Ö 3, Österreich 1 und im "Kulturjournal", Auftritte in "Zeit im Bild"-Sendungen und gestern eine Sondersendung über die Kommune Friedrichshof als idyllisches Experiment eines neuen Gesellschaftsmodells gegeben. Dies war – auch das soll man nicht vergessen – einmal ein Paradevorzeigemodell einer sozialistischen Alleinregierung.

Damit Sie auch wissen, wie es in der Kommune Friedrichshof zugegangen ist, möchte ich Ihnen nur sagen, wie dort die Hierarchien waren. Da wurden die Menschen mit Nummern versehen und durchnumeriert, da war es so, daß die Nummer 15 über die Nummer 16 die volle Gewalt hatte, auch sexuelle Gewalt, die Nummer 16 über die Nummer 17 und die Nummer 17 über die Nummer 18. Das war das Gesellschaftsexperiment des Herrn Mühl, das die sozialistische Partei, Ihre Vorgänger und Sie bis heute offensichtlich als etwas Erstrebenswertes ansehen.

Er scheiterte – auch das ist heute schon einmal zitiert worden und wurde im ORF gesagt – an den Normen des Strafgesetzbuches.

Da möchte ich Sie jetzt fragen, Herr Staatssekretär: Sind Sie der Meinung, daß das Strafrecht in Österreich das Problem ist und nicht Herr Mühl? – Das muß man einmal klären. Denn wenn Herrn Mühl nichts vorzuwerfen ist, dann liegt offensichtlich das Problem am Rechtsstaat. Sind Sie der Meinung, daß nicht der Verbrecher, sondern der Rechtsstaat das Problem ist? Sind Sie der Meinung, daß Otto Mühl ein Opfer ist? Was heißt das für jene Kinder und Jugendlichen, die


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