Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 55

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Darüber hinaus wurde die Forderung nach einer umfassenden Parteienstellung im Genehmigungsverfahren berücksichtigt. § 39a räumt folgenden Personen Parteienstellung ein: dem Antragsteller, dem Grundbesitzer, dem Nachbarn, der Gemeinde, der Nachbargemeinde, wenn das Grundstück an der Gemeindegrenze liegt, dem jeweiligen Land und natürlich den zuständigen Ministerien.

Eine umfassende Kennzeichnungsregelung auf EU-Ebene – darin pflichte ich Ihnen völlig bei – ist notwendig. Eine rein österreichische Kennzeichnung wäre auf dem Binnenmarkt nicht sinnvoll, sondern wäre eine Wettbewerbsverzerrung. Wir müssen den Erzeugern und Herstellern klare Vorgaben für die Kennzeichnung von gentechnikfreien Produkten geben, ohne dabei die Gentechnik zu diskriminieren, damit auch der Konsument frei entscheiden kann. Es soll einen freien Wettbewerb geben, und wenn er gentechnikfreie Produkte kaufen will, dann soll er diese Produkte natürlich auch als solche erkennen können.

Verantwortliche Anwendung der Gentechnologie heißt meiner Meinung nach, Gefahren zu erkennen, Risiken einzugrenzen und Vorkehrungen gegen jeglichen Mißbrauch zu treffen.

Das Ziel des Einsatzes der Gentechnologie in der Landwirtschaft ist die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der Wettbewerbsfähigkeit. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht nur an uns denken. Österreich darf sich nicht von der Wissenschaft, von der Forschung abkoppeln und die Genforscher damit zwingen, ihre Tätigkeit in das Ausland zu verlagern. So geschehen im Jahre 1997 im Waldviertel, wo man einen Versuch mit diesen berühmten Kartoffeln starten wollte, die nicht für die Nahrungsmittelindustrie vorgesehen gewesen sind, sondern für die Erzeugung von Klebstoff. Es ist allen bekannt, daß dieser Versuch gegenwärtig in unserem Nachbarland Bayern läuft.

Derzeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, leiden über 800 Millionen Menschen an Unterernährung. 14 Prozent der Weltbevölkerung hungert. Und die Menschheit wächst weiter: Sie wird von gegenwärtig 5,7 Milliarden Menschen auf über 7 Milliarden Menschen im Jahr 2010 anwachsen – so jedenfalls eine Prognose. Die Welternährungsorganisation FAO geht deshalb davon aus, daß die Agrarproduktion bis zum Jahre 2010 um 60 Prozent steigen muß. Auf der Erde kommt nur ein Zehntel der Landfläche für eine umweltverträgliche Landwirtschaft in Frage, und die zur Nahrungsproduktion nutzbare Fläche wird nicht größer. Aus diesem Grund bin ich davon überzeugt, daß niemand auf eine moderne und intensive Landwirtschaft verzichten kann. Wenn wir den weltweiten Wettlauf zwischen Pflug und Klapperstorch gewinnen wollen, müssen wir mehr tun als nur unsere Pflicht.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen weiteren Aspekt aufgreifen, der auch für uns einen hohen Stellenwert besitzt, nämlich den Umweltschutz. Denn mit Hilfe der Gentechnik können langfristig – so lassen es einige Forschungsergebnisse erwarten – mehr Nahrungsmittel mit weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel, also gewissermaßen mit mehr Umweltschutz, produziert werden. Gibt es irgendeinen Grund, diese Entwicklung zu verhindern? – Für mich lautet die Antwort nein, denn die Gentechnologie bietet uns auch ökologische Chancen.

Hohes Haus! Ich habe vor einiger Zeit eine große landwirtschaftliche Versuchsanstalt im Osten besucht und dabei Gelegenheit gehabt, mich mit der Gentechnologie auseinanderzusetzen. Hiebei hat der Umweltschutz als Forschungsziel die erste Priorität, das bedeutet keinen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die Klimaverträglichkeit hat Priorität zwei. 30 neue Apfelsorten mit ausgezeichnetem, fruchtigem Geschmack, Marillen- und Weinkulturen, die Temperaturunterschiede von 100 Grad Celsius – minus 50 Grad, plus 50 Grad – ohne Frost- und Trockenschäden vertragen, sind das Ergebnis.

Es ist in diesem Zusammenhang auch erwähnenswert, daß diese Pflanzen angebaut werden, die Entwicklungen aber natürlich genau beobachtet und geprüft werden, bevor man in diesem Land im Osten die endgültige Freisetzung zuläßt.

Die Gentechnik bietet bisher ungeahnte Chancen, die wir nutzen sollten. Sie birgt natürlich auch Gefahren – große Gefahren! – in sich, vor denen wir unsere "Mitgeschöpfe" und auch uns selbst


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