Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 26

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Seltsamerweise wird auch Subsidiarität verlangt. Plötzlich entdecken Sie den Bürger der Europäischen Union, und plötzlich entdecken die Regierungen, daß man auch für die Bürgernähe hinsichtlich der Institution und ihrer Reform politisch etwas tun muß.

Meine Damen und Herren der Regierungsparteien! In all diesen Punkten kann ich Ihnen unsere Unterstützung durchaus zusagen. Aber dieser populäre Schub wird nach unserem Dafürhalten nur bis zu den Nationalratswahlen andauern, und dann werden Sie wieder in Ihre alten Fahrwasser zurückkehren.

Ein wesentlicher Bereich ist auch die Osterweiterung. Wir konnten dieses Thema hier im Bundesrat im Rahmen von dringlichen Anfragen schon diskutieren. Sie verlangen die Osterweiterung zu übereilt. Sie beachten nicht die Probleme auf dem Arbeitsmarkt in den grenznahen Gebieten, Sie beachten nicht die Probleme der kleinen und mittleren Unternehmer, und Sie verweigern das Erkennen der unkontrollierten Wanderungsbewegungen nach dem Beitritt dieser osteuropäischen Länder. Sie betreiben nach wie vor übereilt die Wirtschafts- und Währungsunion, Sie gehen in den Euro, ohne daß die Konvergenzkriterien der Staaten, die dabei mitmachen, tatsächlich und ehrlich erfüllt werden. (Bundesrat Payer: Sie haben nicht aufgepaßt!)

Meine Damen und Herren! Europäische Politik muß nach unserem Dafürhalten eine Politik für die Bürger und nicht für die EU-Institutionen sein. Die Zustimmung der Menschen unseres Landes ist wichtiger als das Schulterklopfen einiger EU-Bürokraten. Die fallweisen Kapriolen unserer Bundesregierung, meine Damen und Herren, die ich hier skizziert habe, verwandeln sich in spektakuläre Salti, wenn es um die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik geht. Das, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, ist wahrlich Ihr Meisterstück! (Bundesrat Steinbichler: Die Kapriolen der Bundesregierung sind ...!)

Ich habe ganz überrascht gelesen, daß beim Gipfel in Cardiff nicht nur der Herr Bundeskanzler, sondern auch der Herr Außenminister konkret eine schlagkräftigere Union in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik verlangen. Ich habe diese Einigkeit innerhalb der Regierungsparteien mit Freude aufgenommen. Ich wurde jedoch wieder auf den Boden der österreichischen Realität zurückgeholt, als bald darauf ein NATO-Workshop in Österreich stattgefunden hat und sich unser Herr Außenminister richtigerweise zur Aussage verpflichtet gefühlt hat, daß in Hinkunft die Solidarität wohl vor der Neutralität kommen werde. Das hat wiederum unseren Kanzler dazu veranlaßt, ihm in die Parade zu fahren und klar zu sagen: Wenn sich die NATO verändert im Sinne einer friedenserhaltenden und friedensschaffenden Organisation ohne Nuklearwaffen, ohne diese Beistandspflicht, die uns zwingen könnte, zum Beispiel in der Türkei unsere Soldaten einzusetzen, dann sind wir jederzeit gesprächsbereit. – Originalton Viktor Klima.

Im "Kurier" vom 28. Juni wurde diese Aussage Ihres Herrn Bundeskanzlers treffend kommentiert. Peter Rabl schreibt: "In diesen 34 Worten des Viktor Klima", die ich eben zitiert habe, "steckt soviel Unlogik und Widerspruch, daß dem Satz ein Platz im Schatzkästlein der politischen Skurrilitäten sicher ist. Der NATO mitten in ihren Bemühungen um eine Befriedung des Balkans ihre friedensschaffende Wirkung abzusprechen; wenige Wochen nach den Atomtests in Indien und Pakistan den Abbau des demokratisch kontrollierten Nuklearpotentials zu verlangen; einen Beistandspakt ohne eigene Beistandspflicht zu fordern – mein Gott, Viktor! Das war ein Anfall von grenzenloser außenpolitischer Naivität oder von hemmungslosem Populismus. Ein Akt politischer Selbstverstümmelung, ausgerechnet wenige Tage vor dem Beginn der österreichischen EU-Präsidentschaft."

Meine Damen und Herren! Diesem Kommentar der unabhängigen Presse ist von seiten der Opposition nichts hinzuzufügen. (Zwischenrufe.)

Ich darf Ihnen auch mitteilen, was Ihr Koalitionspartner zur Aussage Ihres Bundeskanzlers gesagt hat. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) ÖVP-Klubobmann Andreas Khol sagte, daß er Klima überhaupt nicht mehr verstehe. Verteidigungsminister Fasslabend wies darauf hin, daß die NATO von einem linken Sozialdemokraten geführt werde und daß sich viele sozialistisch regierten Staaten Europas selbstverständlich zu ihren Verpflichtungen in Europa und zur NATO bekennen. Khol sagte, wie könne die Welt einen solchen Politiker noch ernstnehmen? –


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