Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 29

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das Beschäftigungskapitel, um dessen Aufnahme in den Vertrag wir gerungen haben. Es schafft natürlich nicht per se, weil wir diesen Vertrag unterzeichnen, Arbeitsplätze, aber jeder Grundsatz einer Gemeinschaft – auch die Grundsätze unserer Bundesverfassung – ist zunächst einmal nicht unmittelbar exekutierbar, sondern ist ein Appell, zu handeln, und zwar an jene, die zu handeln berufen sind. Soweit es um die österreichische Bundesregierung mit ihrem Nationalen Aktionsplan für die Beschäftigung geht, sofern es um viele andere Regierungen geht – viele davon sind sozialdemokratisch geprägt –, die Pläne zum Thema Beschäftigung vorgelegt haben, die sehr ambitioniert sind, haben die zum Handeln Verpflichteten diesen Appell auch verstanden.

Es müssen natürlich auch die Strukturen der Europäischen Union weiterentwickelt werden. Die Europäische Union, die als eine kleine Gruppe von europäischen Staaten entstanden ist, die in einem ihrer vielen Erweiterungsschritte auch Österreich miteinbezogen hat und mit uns heute 15 Mitglieder umfaßt, wird naturnotwendig weiter wachsen.

Aber es ist, wie Sie wissen – auch das ist festgelegt –, vor jedem Erweiterungsschritt die Klärung wichtiger institutioneller Fragen in der Union eine Bedingung, weil eine Union, die aus sechs Mitgliedern entstanden ist und ihre Struktur bei ihrer Ausweitung auf 15 Mitglieder nicht wesentlich verändert hat, nicht mit einer beliebigen Mitgliederzahl funktionieren kann.

All dies ist nicht, wie Sie gesagt haben, vergessen worden, sondern Bestandteil des Amsterdamer Vertrages, und all dies wird gerade jetzt in der Europäischen Union diskutiert. Die Europäische Union befindet sich in einem dynamischen Prozeß, in dem sie sich an die neuen Bedingungen anpaßt und neuen Aufgaben stellt.

Der Vertrag von Amsterdam ist wahrlich nicht der Schlußstrich unter die Entwicklung der Europäischen Union, sondern er ist ein wichtiger und bedeutsamer Teilschritt – einer, den ich vorbehaltlos bejahen kann. In manchen Bereichen führt er zu Klärungen, in manchen Bereichen – auch in dem von Ihnen angeschnittenen Sicherheitsbereich – gibt er eine Indikation an. In welcher Art und Weise diese Indikation ausgefüllt und mit Leben erfüllt wird, ist der politischen Entwicklung in den und zwischen den Mitgliedstaaten vorbehalten.

Die Europäische Union ist kein Projekt, das ein Selbstläufer ist, sie ist kein Projekt, das nur in Brüssel weiterentwickelt wird, sondern sie ist aus guten Gründen ein Projekt, das sich im vielfachen Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und ihren gemeinsamen Einrichtungen entwickeln muß.

Das Einsagen von der vierten Galerie herunter, Herr Kollege Bösch, hat diese Bundesregierung wahrlich nicht notwendig. Die Frage der österreichischen Beitragszahlungen ist von uns von allem Anfang an releviert worden. Aber gerade dann, wenn es Strukturveränderungen gibt, wenn es systematische Veränderungen gibt, ist diese Meinung zur Geltung zu bringen. Daß einem beitretenden Mitglied gewissermaßen ein Rabatt gewährt wird, kann nicht der Sinn unseres Vorstoßes sein. Daß wir ein System entwickeln, in dem die Beiträge der Nettozahler in einem Ausmaß limitiert werden, das auch für die Nettobeitragszahler vernünftig ist, ist eine systematische Lösung, die wir anstreben. Wenn wir nämlich die Europäische Union weiterentwickeln, dann werden wir zweifelsfrei auf vielen Gebieten – auch dort, wo es nicht um Unionsrecht geht, sondern um zwischenstaatliche Maßnahmen, und zwar um jene, die Staaten in ihrer nationalen Souveränität gemeinschaftlich beschließen – zu Vereinheitlichungsschritten kommen müssen.

Österreich hat in den jüngsten Diskussionen nicht nur das angeschnitten, was Sie hier zu zitieren beliebt haben, sondern auch andere genauso wichtige und vielleicht auch wichtigere Fragen, wie etwa die Frage der Harmonisierung von Steuersystemen. Sprechen wir es doch offen aus: Es kann nicht die Weisheit europäischer Politik sein, daß 14 Mitgliedstaaten ernsthaft etwa darüber nachdenken – und vorläufig Modelle dazu gefunden haben –, Kapitalerträge zu besteuern, und der 15. Mitgliedstaat einen Teil seines Volkseinkommens daraus bezieht, daß er das eben nicht macht und in den anderen Mitgliedstaaten dafür auch noch kräftig Werbung betreibt.


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