Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 106

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Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird noch eine Wortmeldung gewünscht? – Bitte sehr, Herr Bundesrat Dr. Königshofer.

21.17

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend zu dieser sehr emotional geführten Diskussion noch einen Bosnier zu Wort kommen lassen: Der bosnische Staatspräsident Izetbegovic hat vor rund einem Jahr im Stadion von Schalke in Gelsenkirchen vor etwa 20 000 Bosniern eine Rede gehalten. Er hat diese Rede mit der dringenden Bitte an alle Landsleute in Europa abgeschlossen, doch zurückzukommen und beim Aufbau ihrer Heimat mitzuarbeiten.

Das diene zu Ihrer Kenntnis, dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine weitere Wortmeldung gewünscht? – Herr Bundesrat Kone#ny. Bitte sehr.

21.18

Bundesrat Albrecht Kone#ny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, was diese Wortmeldung jetzt besagen sollte, aber ich muß es ja nicht wissen, der Redner wird es vielleicht erklären können.

Ich glaube, daß wir in Wirklichkeit an dem Punkt anknüpfen müssen, den der Herr Bundesminister in seinen Ausführungen berührt hat. Sie können mir glauben: Ich kenne die Situation in diesem Land jetzt besser, als ich es eigentlich vorhatte. Die Wahrheit ist, daß die Heimkehr von Flüchtlingen, die Sie so vollmundig einfordern und die auch in der bosnischen Politik – und der sehr geschätzte bosnische Staatspräsident ist auch ein Politiker – durchaus als wechselseitige Sprengmine eingesetzt wird, etwas unendlich Problembehaftetes ist. Und weil ich die Situation kenne, habe ich nicht die Absicht, Herr Kollege Königshofer, mit Ihnen zu polemisieren. Ich kann nur jeden von denen, die das leichtfertig so aussprechen, einladen ... (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) Herr Kollege! Lassen Sie mich reden! Ich habe Sie auch reden lassen! Wenn Sie sich aufregen wollen, dann tun Sie es! Wir können aber auch dann sachlich über Dinge reden, wenn Sie sie nicht verstehen.

Ich glaube, daß es notwendig ist, daß sich jeder, der die vollmundige Forderung nach Rückkehr der Flüchtlinge ausspricht, einmal von den Verhältnissen im Land ein Bild macht. Wenn Flüchtlinge als Angehörige einer Ethnizität in ihren Heimatort zurückkehren – und darum geht es vor allem –, werden sie dort oft neuerlich vertrieben, bedrängt und in Einzelfällen getötet. Ich kann aus Erfahrung und Kenntnis sagen, daß das jeder der drei Nationalitäten widerfahren ist und daß das auch jede ausgeübt hat. Es gibt ein Drvar – für diejenigen, die sich mit den Dingen nicht wirklich beschäftigen: in Drvar sind Serben ermordet worden –, aber es gibt nicht nur ein Drvar.

So bin ich durch einen Ort gefahren, in dem in diesem Fall heimgekehrte Kroaten in der Krypta der an sich zerbombten Kirche eine Messe gefeiert hatten. Sie wurden nicht umgebracht, das ist immerhin ein relativer Fortschritt, aber sie wurden 72 Stunden nicht aus der Kirche herausgelassen, weil sich davor die Reste der Bürgerkriegswut austobten, und sie mußten von der SFOR herausgeholt werden.

Daher bitte ich Sie, Sprüche wie "Die sollen doch heimgehen und ihre Heimat aufbauen!" nicht so leichtfertig auszusprechen, wenn Sie die Verhältnisse nicht kennen. Wenn Sie da unten ein paar Wochen im Rahmen von Projekten gearbeitet haben und das immer noch so leichtfertig sagen, dann würde mich das selbst bei Ihnen, Herr Kollege Königshofer, sehr überraschen! (Beifall bei der SPÖ.)

21.20


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