Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 155

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Ich möchte Ihnen die Logik der beiden Haider – und zwar einerseits jene von Erich Haider, den Sie sehr wohl kennen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, und andererseits jene von Jörg Haider – vorstellen:

"Der neue SP-Vorsitzende Erich Haider kann nicht so dumm sein, zu glauben, daß sich Arbeit verordnen lasse.

Trotzdem fordert er die Gemeinden auf, Lehrlinge einzustellen. Ein Federstrich – und wir haben kein Lehrlingsproblem mehr. So einfach ist die Welt gestrickt.

Warum nicht Haiders Logik zu Ende denken. Bringen wir doch alle Arbeitslosen unter, bei Ämtern, Behörden, Magistraten.

Oder hat Haider aus seiner früheren Tätigkeit bei der Linzer ESG vergessen, daß sich Posten nicht beliebig vermehren lassen, Geld kosten, Zahler brauchen? Auch die ESG sparte Posten ein, um die, die bestehen bleiben, mit vorhandener Arbeit abzusichern.

Die letzten, die diese Gleichung nicht verstanden haben, sind in der DDR gescheitert. Dort gab es vermeintliche Vollbeschäftigung, aber wenig Arbeit.

Ähnliches sollten nun unsere Gemeinden praktizieren, meint Haider. Dabei ruhen Arbeitsplätze, die auf Zuruf entstehen und nicht durch tatsächliche Nachfrage nach Personal, auf tönernen Füßen.

Folgen Gemeinden doch Haiders Zuruf, werden Lehrstellensuchende halt untergebracht, ohne daß sie Arbeit vorfinden, Beschäftigung, Herausforderung.

Kann es sein, daß diese Jugendlichen nicht besser Fortbildung betrieben?

Darf es sein, daß Gemeindebürger für diese Scheinbeschäftigung durch ihre Gemeinde zu zahlen haben?

Fragen, auf die Haider antworten müßte. Oder wollte er ohnedies nur politisches Kleingeld lösen?"

Meine Damen und Herren! Gegen diese Vorschläge verwahren sich die Freiheitlichen. Wir üben scharfe Kritik an den Ideen des neuen SPÖ-Landesvorsitzenden, mit denen die Lehrlingskrise bewältigt werden soll. Haider will jene Gemeinden, die heuer keine Lehrlinge aufnehmen, in der Öffentlichkeit an den Pranger stellen. Das ist Unsinn, sagen wir. An den Pranger gehören jene, die die Bedingungen für die Wirtschaft so verschlechtert haben, daß die Lehrlinge für die Unternehmen zu einer Belastung wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) An den Pranger gehören jene, die nicht müde wurden, ein Sozialnetz zu spinnen, das laut einer Meldung in der heutigen "Presse" einfach nicht mehr finanzierbar ist. An den Pranger gehören jene, die auch gar nicht gewillt sind, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Unternehmer notwendig brauchen, um wieder Lehrlinge aufzunehmen.

Meine Damen und Herren! Dem möchte ich die Logik von Jörg Haider und seinen Freiheitlichen gegenüberstellen: Die Lehrlingsproblematik ist aufgeschoben und nicht aufgehoben. Immer mehr Betriebe sehen sich nicht mehr in der Lage, die Zeit und das Geld aufzubringen, um jungen Menschen die Chance zu geben, einen Beruf zu erlernen. Für die Schulabgänger des Jahres 1997 haben der Bund und die Länder die Krise bei den Lehrstellen nur durch das umfangreiche Sonderförderprogramm einigermaßen entschärfen können. So wurden viele Jugendliche nur deshalb in zusätzlichen Lehrstellen untergebracht, weil – wie gesagt – die Unternehmer dafür eine hohe Sonderförderung bekommen haben.

Dieses Sonderförderprogramm brachte jedoch nur eine kurzfristige Entlastung. Die notwendigen Reformen, um die Lehre für Jugendliche und Unternehmen gleichermaßen attraktiv werden zu lassen, blieben aus. Der Wettbewerb wird dadurch verzerrt, daß nur schwer vermittelbare


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