Bundesrat Stenographisches Protokoll 645. Sitzung / Seite 58

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wirksam werden, auch in Österreich, also an dem Ort, wo der Schaden tatsächlich entstanden ist, auf Schadenersatz zu klagen, also nach österreichischem Recht.

Die Forderung nach einer grenzüberschreitenden Haftung, nach der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches entsteht dort, wo der Schaden entstanden ist, ohne den Geschädigten zu zwingen, ins Ausland zu gehen und den Schaden dort einzuklagen. Das ist, wie ich meine, eine neue Qualität in diesem Gesetz und auch ein juristischer Quantensprung. Auf internationaler Ebene werden wir dieses Recht leichter durchsetzen können, wenn wir darauf verweisen, daß wir im eigenen Land bereits entsprechende Regelungen getroffen haben.

Ein weiterer wichtiger Schritt in diesem Gesetz ist die Beseitigung der Kanalisierung der Haftung. Bis jetzt war es so, daß der Betreiber eines Atomkraftwerkes zu haften hatte, nicht jedoch der Zulieferer von Bestandteilen des Kraftwerkes. Beim Auftreten eines Schadens in einem Atomkraftwerk kann aber selbstverständlich ein einzelner Bestandteil die Ursache des Gesamtschadens sein.

Es ist völlig unverständlich, warum man sich in einem Schadensfall, in dem ein Kraftwerk jenseits der Grenze und ein Lieferant diesseits der Grenze betroffen sind, nicht direkt an den Lieferanten wenden kann, so wie dies bei der Schadensersatzregelung des Bürgerlichen Gesetzbuches ohnehin vorgesehen ist. Der Grund dieser Ausnahmeregelung für die Zulieferanten von Atomkraftwerken ist sicher darin zu sehen, daß die Atomkraft als damals neue Technologie besonders zu schützen war. Deshalb hat man diese Ausnahmeregelungen für Atomkraftwerksbetreiber eingerichtet und vorgesehen. Ich bin aber der Auffassung, daß eine derartige Regelung nicht mehr zweckmäßig erscheint und auch die Lieferanten von Bestandteilen für Atomkraftwerke einkalkulieren müssen, daß sie jederzeit in Haftung genommen werden können.

Für die Durchsetzung etwaiger Forderungen gibt es im europäischen Raum als Regelung das Lugano-Abkommen – zur Durchsetzung von Urteilen, die erwirkt worden sind. Ich erwähne das deshalb, weil wir auch im Justizausschuß darüber diskutiert haben, wie die Durchsetzung dieses Atomhaftungsgesetzes vorgenommen werden kann. Das heißt, daß ein in Österreich erwirktes Schadenersatzurteil innerhalb Europas durchgesetzt werden kann. Es muß deshalb unser Ziel sein, daß dem Lugano-Abkommen vor allem auch jene Länder beitreten, die Atomkraftwerke in unmittelbarer Nähe zu unseren Grenzen haben und noch nicht Mitglied der Europäischen Union sind. Wir hätten durch deren Beitritt zum Lugano-Abkommen die Möglichkeit, unsere Exekutionsverfahren und Forderungen im Rahmen dieser Verfahren leichter um- und durchzusetzen.

Wir haben mit einer konsequenten Antiatompolitik in unserem Land auch international deutlich gemacht, wie ernst wir diese Frage nehmen. Nicht zuletzt ist auch das vorliegende Gesetz ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung. Es bietet den Vertretern Österreichs auch das moralische Recht, gegenüber anderen Ländern auch auf internationaler Ebene auftreten zu können. Die Aktivitäten der Bundesregierung, vor allem im Gespräch mit unseren Nachbarländern, gehen in diese Richtung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die engagierte Tätigkeit zahlreicher Umweltorganisationen verweisen, die sehr oft in Kooperation, in Ergänzung mit den Aktivitäten der Bundesregierung oder auch einzelner Abgeordneter im Bereich der Antiatompolitik tätig waren. An dieser Stelle sind zum Beispiel Greenpeace, Global 2000, Antiatom International und viele andere Privatinitiativen zu nennen. Uns verbindet alle ein gemeinsames Ziel, nämlich für eine Welt ohne Atomkraftwerke und Atomwaffen einzutreten.

Aus diesen Gründen wird die sozialdemokratische Fraktion gegen die Vorlage keinen Einspruch erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch das Wort. – Bitte.


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