Bundesrat Stenographisches Protokoll 646. Sitzung / Seite 62

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nicht zuletzt die Siegermächte des Ersten Weltkrieges zunächst ins Auge gefaßt hatten. Das Denkmalschutzgesetz von 1923 sicherte dieses legitime Anliegen zur Wahrung der Bestände des österreichischen Kulturgutes ab. Seit 1918 und ohne Ansehen der Person galt in der Folge ein entsprechendes Ausfuhrverbot für die in diesen Schutzbereich fallenden Kunstgegenstände. Von da her verstand es sich von selbst, daß nach der Wiederherstellung der Republik Österreich und ihrer Rechtsordnung im Jahre 1945 auch die erwähnten Ausfuhrbeschränkungen wieder voll in Kraft getreten sind. Ihnen unterlagen, wie alle übrigen Eigentümer von Kunstgegenständen von entsprechender Wertigkeit, folglich auch alle Personen, denen solche Kunstgegenstände in der NS-Zeit rechtswidrig entzogen und nach 1945 wieder zurückgestellt worden sind. Sie hätten mit anderen Worten diese Kunstgegenstände, ungeachtet des ihnen zurückerstatteten Eigentums, in Österreich belassen müssen. Um den Hauptteil ihrer Sammlungen in das Ausland, das heißt in ihre neuen Heimatstaaten, transferieren zu können, gingen sie daher vielfach auf Vergleiche ein, nach denen sie einige Kunstgegenstände aus ihren Sammlungen einem bestimmten Museum, das heißt der Republik Österreich, unentgeltlich zu überlassen hatten.

Wie ist nun dieses Vorgehen rechtsdogmatisch, rechtspolitisch und rechtsethisch zu bewerten? – Zunächst ist einmal festzuhalten, daß das NS-Regime endgültig untergegangen und von der wiederhergestellten demokratischen Republik abgelöst worden war. Zudem stand das neubegründete Österreich, selbst wenn ihm anfangs aus der Sicht rassisch und politisch Verfolgter begreiflicherweise Mißtrauen entgegengebracht worden sein mag, ohnehin unter der Aufsicht der alliierten Besatzungsmächte. So gesehen konnte ein damals zwischen dem ursprünglichen Eigentümer und der Republik Österreich abgeschlossener Vergleich, wonach er die ihm gehörenden Kunstgegenstände zu dem Preis der unentgeltlichen Überlassung einzelner Kunstgegenstände an ein österreichisches Museum in seinen ausländischen Heimat- oder Aufenthaltsstaat ausführen konnte, meines Erachtens nur unter folgenden Voraussetzungen ungültig sein: entweder wenn das Ausfuhrverbotsgesetz an sich verfassungswidrig ist – darüber ist ernsthaft zu diskutieren – oder einen derartigen Vergleich überhaupt gar nicht vorgesehen hatte, oder wenn der entsprechende Vergleich situativ nur unter Bedingungen verdünnter Willensfreiheit zustande gekommen ist beziehungsweise wenn der Vergleichsinhalt vom Wert der betroffenen Kunstgegenstände her nicht dem Äquivalenzprinzip entsprochen hat.

In all diesen Varianten wäre meines Erachtens rückschauend betrachtet Amtsmißbrauch der mit solchen Verfahren befaßten Staatsorgane anzunehmen. Erneut bin ich nicht dazu bereit, unseren damals mit diesen Angelegenheiten befaßten Ämtern generell ein derart gravierend rechtswidriges Verhalten zu unterstellen. Wie bereits zuvor hätte ich eine differenzierende Regelung bevorzugt, die auch noch heute die nachträgliche Anfechtung inhaltlich ungültiger, sittenwidriger Vergleiche oder solcher Einigungen, die unter sachwidrigem Druck zustande gekommen sind, ermöglicht.

Mangels der gebotenen Bezugnahme auf diese konkreten Umstände der damals getroffenen Vereinbarungen und damit einer objektiven Differenzierung stellt sich die vorliegende Regelung insofern als gleichheitswidrig heraus, steht es doch bis heute keinem Auslandsösterreicher oder einem Österreicher, der endgültig in einen ausländischen Staat übersiedeln will, ja nicht einmal einem Ausländer zu, die in seinem Eigentum befindlichen Kunstgegenstände, insofern sie den einschlägigen Ausfuhrverboten unterliegen, in den Staat seiner Wahl zu transferieren. Das erscheint mir als evidenter Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

Will man die umfassende politische Bereinigung der ungeklärten, sehr bedenklichen Herkunft aller Kunstgegenstände, die an sich einem Ausfuhrverbot aus Gründen des nationalen Kulturgüterschutzes unterliegen, so müßte man wohl den Transfer für alle Eigentümer derartiger Wertobjekte freigeben. Jede andere Regelung ist mit dem Gleichheitssatz unvereinbar. Da es aber meiner Fraktion im Bundesrat anders als jener im Nationalrat aufgegeben ist, eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, werden wir ungeachtet der angedeuteten verfassungsrechtlichen Bedenken aus den einleitend dargelegten Gründen der gebotenen Rechtsethik diesen Vorlagen dennoch gerne zustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

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