Bundesrat Stenographisches Protokoll 647. Sitzung / Seite 93

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geglückt wäre. Ganz im Gegenteil! War schon das alte ÖH-Gesetz keineswegs ein legistisches Glanzstück, so stellt das vorliegende Gesetzesvorhaben demokratiepolitisch betrachtet geradezu einen Rückschritt dar. Das ist der maßgebliche Grund dafür, warum ihm meine Fraktion die Zustimmung versagen wird.

Lassen Sie mich nur zwei Beispiele für den kritikwürdigen Abbau von Hochschuldemokratie anführen. Zum einen die Zusammensetzung der Wahlkommissionen: In Zukunft soll ihnen von seiten der Studierenden nur noch je ein Vertreter oder eine Vertreterin der drei an Stimmen stärksten Gruppen der letzten Bundesvertretung angehören. Diese Ausschaltung aller übrigen wahlwerbenden Gruppen hielte ich, um Mißdeutungen zu vermeiden, selbstverständlich auch dann für undemokratisch, wenn eine freiheitliche Gruppierung zu den drei stärksten zählte. Das Recht, einen Beobachter in die Wahlkommission zu entsenden, gleicht den Ausschluß von der Mitwirkung an der Willensbildung dieses bedeutsamen Organs keineswegs aus.

Bei allem Verständnis für das Bemühen um die Funktionsfähigkeit der in der Praxis leider tatsächlich oft sich selbst paralysierenden oder gezielt lahmgelegten Organe der ÖH vermag ich insbesondere auch folgender Regelung nicht zuzustimmen: Gemäß § 39 Abs. 4 zweiter Satz entscheidet der Vorsitzende alleine, falls kein Beschluß der Wahlkommission zustande kommt. Fehlendes Verantwortungsgefühl und fehlendes Demokratiebewußtsein durch autoritäre Entscheidungsmechanismen auszugleichen, scheint mir auch vom Erzieherischen her nicht der richtige Weg zu sein.

Mein zweites Beispiel gilt dem Abbau direkter Demokratie. Ersatzlos wurde die bisherige Einrichtung der Hörerversammlungen abgeschafft. Wollten die etablierten ÖH-Funktionäre sich einer solchen Kontrolle durch die im Politjargon so genannte Basis entziehen? Und weshalb haben das Bundesministerium und die Regierungsparteien diesem undemokratischen Anliegen so willfährig Rechnung getragen?

Aus der Fülle weiterer Kritikpunkte greife ich noch folgenden auf: Gemäß § 24 genügt für die Wahl des Vorsitzenden und der zwei Stellvertreter die Anwesenheit von lediglich einem Drittel der Stimmberechtigten und im vierten und letzten Wahlgang die relative Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Dabei gelten Stimmenthaltungen als nicht abgegebene Stimmen. Es ließe sich anhand von Rechenbeispielen überaus deutlich machen, mit welch unzureichender demokratischer Legitimation somit künftig leitende Funktionen in den ÖH-Vertretungen erlangt werden können. Für die Abwahl gelten demgegenüber viel strengere Quoren.

Zuletzt nehme ich zum umstrittenen Thema des passiven Wahlrechtes ausländischer Studierender Stellung. Gewiß ist diese Erweiterung des Kreises der passiv Wahlberechtigten auf Studierende eingeschränkt, die Staatsangehörige der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind. Bezeichnenderweise war dies dem Liberalen Forum und den Grün-Alternativen nicht weitreichend genug, wollten sie doch die Wählbarkeit in sämtliche Funktionen auf alle ausländischen Studierenden ausdehnen.

Welchen Fremdkörper in unserem Rechtssystem selbst die Einbeziehung der Hörer aus EWR-Staaten bedeutet, wird schon durch die Notwendigkeit hinlänglich klar, den einschlägigen § 35 Abs. 2 in den Verfassungsrang zu erheben. Daran stört mich jedoch nicht allein dieses von uns Freiheitlichen entschieden abgelehnte Vorgehen, grundsätzliche Regelungen unserer Verfassung durch zahllose spezielle Verfassungsbestimmungen zu durchbrechen und damit immer weiter auszuhöhlen, vielmehr ist auch in der Sache selbst festzuhalten, daß nicht nur das Recht der Europäischen Union beziehungsweise des EWR keine entsprechende Verpflichtung vorsieht, sondern meines Wissens kaum ein anderer Vertragsstaat die Gegenseitigkeit beobachtet, daß heißt, österreichischen Studierenden gleiche Rechte einräumt. Nicht zum erstenmal erbringen wir auch hier wieder eine einseitige Vorleistung.

Aber es ist eben auch gar kein Zufall, daß unsere Vertragspartner nicht so weit gehen, und ebensowenig bloße Formalität, daß wir hiezu einer eigenen Verfassungsbestimmung bedurften, denn kein anderes Land hat die Interessenvertretung der Studierenden als öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörper organisiert und mit derart weitreichenden öffentlichen, zum Teil sogar


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