Bundesrat Stenographisches Protokoll 650. Sitzung / Seite 11

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Zu Ihrer konkreten Frage, sehr geehrte Frau Bundesrätin, ob ein "Karenzgeld für alle" ein soziales Verbrechen ist, möchte ich vorerst feststellen, daß es meiner Diktion, meiner Wortwahl nicht entspricht, dann, wenn Sozialleistungen diskutiert und letztlich auch beschlossen werden, von sozialen Verbrechen zu reden. Ich glaube auch, daß es etwas unfair ist, eine aus dem Zusammenhang gerissene Aussage einer von mir sehr geschätzten Kollegin so polemisch und auch apodiktisch in den Raum zu stellen. Hinsichtlich der konkreten Frage noch einmal: Diese Wortwahl würde ich persönlich in diesem Zusammenhang nicht verwenden.

Erlauben Sie mir zum "Karenzgeld für alle" die grundsätzliche Bemerkung, daß man diese Frage in einer differenzierten Form anzugehen hat. Karenzgeld bedeutet, daß einer Leistung eine vorangegangene Erwerbstätigkeit zugrunde zu liegen hat und auch dementsprechend eine Begründung einer Änderung eines Erwerbsverhältnisses gegeben sein muß. Das ist in all jenen Fällen der Fall, in den wir derzeit bereits Karenzgeldregelungen haben, in unterschiedlicher Form.

Ich möchte nur die betroffenen Gruppen in Erinnerung rufen: Es geht dabei um Arbeiter, Angestellte, Vertragsbedienstete, Beamte. Wir konnten Regelungen für Bäuerinnen, Selbständige, Gewerbetreibende und freie Dienstverträge finden; ich könnte auch noch andere Gruppen aufzählen.

Wer von einer Karenzgeldregelung nicht betroffen sein kann, weil eben im Vorfeld keine Erwerbstätigkeit gegeben ist, sind zum Beispiel nie berufstätig gewesene Hausfrauen. Es können aber auch Mädchen, Frauen in Ausbildung sein, Studentinnen, Schülerinnen. Daher ist es, glaube ich, richtig, über die Frage nachzudenken: Gibt es in unserer Gesellschaft Gruppen von Frauen, die bei der Niederkunft eine Einkommenssituation vorfinden, die die Notwendigkeit mit sich bringt, die Einkommenssituation zu verbessern, weil das Familieneinkommen im Sinne eines ausgebauten Sozialstaates nicht adäquat ist.

Ich glaube, um die Lösung dieser Frage geht es jetzt, nämlich darum, eine ergänzende Geldleistung für diese Fälle zu formulieren und auch auszudiskutieren, wo entsprechender Bedarf gegeben ist. Daß ein "Karenzgeld für alle" im Sinne einer undifferenzierten Gießkannenprinzip-Leistung sozial- und verteilungspolitisch richtig ist, kann ich mir nicht vorstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin! Der Herr Bundeskanzler hat die Aussage gemacht – ich stehe zu dieser Aussage –: Jedes Kind ist uns gleich viel wert. Im Steuerrecht ist es gelungen, die Kinder gleich zu bewerten. Sie haben in Ihrer Beantwortung jetzt anklingen lassen, daß es schon Überlegungen gibt. Haben Sie konkrete Vorschläge, jedes Kind auch bei der Familienförderung zu berücksichtigen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Sie wissen, daß wir in unserem gesamten Steuerrecht, Leistungsrecht der Sozialversicherung eine Fülle von Maßnahmen durchsetzen konnten, die Familien, Kindern, insbesondere auch Frauen speziell zugute kommen. Sie haben zu Recht das Steuerrecht angeführt. Ich verweise bespielsweise auch auf die sehr wichtige Leistung, die die österreichische Sozialversicherung den Familien bietet, indem nämlich durch beitragsfreie Mitversicherung eine komplette Familie versichert werden kann und auch bei Alleinverdienerhaushalten ein umfassender Krankenversicherungsschutz gegeben ist. Eine Leistung, deren enorme Bedeutung oft unterschätzt wird, auch was die andernfalls finanziellen Belastungen der Familien betrifft.

Worum es jetzt geht, ist – und das hat der Herr Bundeskanzler aus meiner Sicht vollkommen richtig dargestellt –, daß wir für jene Fälle, wo noch ein Bedarf besteht, weil die bisherigen Netze nicht ausreichend sind, eine adäquate Lösung für eine ergänzende Geldleistung finden. Die entsprechenden Gespräche und Berechnungen finden statt. Man muß natürlich eine vertretbare und verteilungspolitisch gerechte Form finden. Ich hoffe aber, daß die beiden Regierungs


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