Bundesrat Stenographisches Protokoll 653. Sitzung / Seite 92

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verbundene automatische Haftungsreduktion scheint mir freilich problematisch zu sein; war es doch, anders als in den USA, die seit langem rein unternehmerisch geprägte law firms kennen, bis heute gute österreichische Tradition, daß den Klienten ein persönliches Vertrauensverhältnis mit seinem Rechtsfreund verbindet und er daher auch notfalls dessen persönliche Haftung erwarten kann.

Bei risikoreichen Rechtsfällen mußte sich der Rechtsanwalt, wollte er sich im voraus von seiner unbeschränkten Haftung für Vertretungsfehler freizeichnen, diese Entlastung in den Grenzen des sittlich Erlaubten, also lediglich bei leichter Fahrlässigkeit, ausdrücklich ausbedingen. Ist aber, so frage ich, künftig jedem Mandanten bewußt, daß die Rechtsanwalts-GesmbH nur noch mit ihrem Kapital haften wird?

 

Gewiß ist die vorliegende Novelle ehrlich darum bemüht – ich verkenne das keineswegs –, diese begrenzte Haftung zumindest effektiv abzusichern; ist eine solche GesmbH doch zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung mit einer relativ hohen Deckungssumme verhalten. Dennoch bleiben mehrere Fragen dabei offen. Sollte nicht dessen ungeachtet die persönliche Haftung des für die schlechte Vertretung verantwortlichen Anwalts aufrechtbleiben? Weshalb werden die höchst unterschiedlichen Versicherungssummen ausschließlich davon abhängig gemacht, ob es sich um einen Einzelanwalt oder um eine GesmbH handelt? – Vom Zuschnitt und von der Struktur der Kanzlei und von ihrem durchschnittlichen Jahresumsatz her könnte ja auf der einen Seite eine kleine GesmbH und auf der anderen Seite eine nicht kapitalgesellschaftlich organisierte Großkanzlei bestehen. Weshalb wird schließlich dem Klienten im Gegensatz zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung kein Direktanspruch gegen die Versicherung zugestanden?

Auch zur Aufhebung des Filialverbotes ist folgendes kritisch anzumerken: Gewiß ließ es sich nicht länger aufrechterhalten, vom EU-Recht her einer ausländischen Rechtsanwaltskanzlei eine Niederlassung in Österreich zubilligen zu müssen, aber im österreichischen Berufsrecht dem inländischen Rechtsanwalt keine Filiale im eigenen Land zuzugestehen. Dennoch irritieren auch dabei zwei unerwünschte Effekte: Zum einen kommt es ja überhaupt nicht darauf an, ob der die Niederlassung errichtende und betreibende Anwalt dort in irgendeiner Weise selbst tätig wird. Mit anderen Worten wird, wie ich es schon bei der Haftungsfrage beklagt habe, auch damit das Prinzip der persönlichen Berufsausübung preisgegeben. Zum anderen bevorzugt die Zulassung von Filialgründungen eindeutig die Großkanzleien, weil sie ihnen die Vermarktung ihres Rufes auch außerhalb ihres Hauptsitzes und unter anderer faktischer Leitung erlaubt.

In dieser Kritik liegt meines Erachtens – um nicht mißverstanden zu werden – keine Trauer um überwundene Zünftelei, sondern eher die Sorge um eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten kleinerer Kanzleien, deren soziale Funktion gerade für finanziell minderbemittelte Klienten nicht außer acht zu lassen ist.

Umgekehrt bestraft die Novelle – so meine nächste Kritik – die gesamte Anwaltschaft, das heißt auch alle seriösen Vertreter des Barreaus, für jene schwarzen Schafe in ihren Reihen, die ihre Mandanten ausgebeutet hatten; denn die Obergrenzen des tariflichen Honoraranspruchs für die Beratung und Vertretung bei einvernehmlichen Ehescheidungen erscheinen mir vom Preis-Leistungs-Verhältnis her unausgewogen. So ist etwa empirisch belegt, daß bis zu einer Bemessungsgrundlage von 50 000 S nicht einmal eine Deckung der Kosten des einschreitenden Rechtsanwaltes gegeben ist. Bei Einnahmen von etwa 15 000 S bleiben nach Abzug der Kanzleiregien und Vorsteuern nicht einmal 4 000 S Gewinn. (Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Gewiß kann man zugunsten der in der Novelle vorgesehenen Pauschalierung des Honorars ins Treffen führen, daß sie keine Überforderung des Mandanten mehr zuläßt, daß sie ihm die Berechenbarkeit seiner Verfahrenskosten ermöglicht und auch dem Rechtsanwalt den Vorwurf erspart, seinen Mandanten unangemessen belastet zu haben. Dem stehen jedoch ernsthafte Einwände gegenüber.

Zweifellos hängt die Arbeitsbelastung des Rechtsanwaltes nicht davon ab, welchen Verkehrswert oder auch nur Einheitswert ein Grundstück hat, das in die vermögensrechtliche Einigung


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