Bundesrat Stenographisches Protokoll 653. Sitzung / Seite 94

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beziehungsweise ein Berufsrecht beschlossen werden, damit tatsächlich den Ansprüchen dieser Berufsstände entsprochen werden kann.

Es sind in den letzten Monaten im Zusammenhang mit der Modernisierung dieser beiden Berufe sehr oft die Stichworte "Liberalisierung" und "Deregulierung" gefallen. Ich glaube, daß man damit aber sehr sorgsam umgehen muß, denn diese Diskussion kann nur vor dem Hintergrund geführt werden, daß keineswegs ein Qualitätsverlust stattfinden darf, daß die Rechtssicherheit gegeben ist, daß der Zugang des Bürgers zum Recht in keiner Weise geschmälert werden darf und daß der ausübende Notar oder der ausübende Rechtsanwalt in seiner Stellung unabhängig und vertrauenswürdig bleibt und auf jeden Fall in seinen Rechten ungeschmälert arbeiten kann.

Die dabei seitens höherer Politiker geforderte Deregulierungsdebatte, daß man durch Aufhebung überbürokratischer Bestimmungen und durch eine völlige Liberalisierung zusätzliche Unternehmensgründungen schaffe – es wurde von einer Schaffung von 30 000 Arbeitsplätzen gesprochen –, ist meiner Ansicht nach bei weitem überzogen.

Beide Berufsstände – Rechtsanwälte und Notare – verschließen sich keineswegs der Schaffung neuer Arbeitsplätze, wissen sie doch, wie schwer es in der heutigen Zeit ist, Arbeitsplätze zu finden, aber man soll, salopp gesprochen, die Kirche im Dorf lassen. Man soll vor allem nicht das Kind mit dem Bad ausgießen und jetzt versuchen, sozusagen eine völlige Freigabe, eine völlige Liberalisierung und Deregulierung mit einem völlig freien Zugang zu diesen Berufen zu erreichen. Das würde doch ein Minus an Ausbildung, ein Minus an Qualität und ein Minus an Konsumentenschutz bedeuten, und das ist zweifellos nicht Sinn der Sache.

Meine Damen und Herren! Kollege Böhm hat dankenswerterweise erklärt, er werde dem Notariats-Berufsrechts-Änderungsgesetz 1999 die Zustimmung erteilen, nicht aber dem Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz. – Kollege Böhm! Ich teile zum Teil Ihre Ansicht, insbesondere was die Problematik der Nichtumsetzung einer EU-Richtlinie betrifft. Da gibt es meines Wissens eine Art "Bemühungszusage", und zwar in Form eines Entschließungsantrages.

Ganz kann ich Ihnen, Herr Kollege Böhm, aber nicht folgen in bezug auf die Einführung der GesmbH, in bezug darauf, daß sich ein Anwalt sozusagen in Form einer GesmbH formieren kann – das umso mehr, als ohnehin die persönliche Geschäftsführung statuiert und auch die Haftpflichtversicherung entsprechend gegeben ist.

Meine Damen und Herren! Eine durchaus diskussionswürdige Problematik ergibt sich immer wieder hinsichtlich der sogenannten Honorar-Richtlinien. Das, was Sie, Kollege Böhm, angeführt haben, haben wir im Ausschuß gemeinsam diskutiert. Ich halte diesen Mindestsatz bei der einvernehmlichen Scheidung auch nicht für besonders treffend, weil bei der gesetzlichen Formulierung der einvernehmlichen Scheidung – mit einigen wenigen Arbeits- und Tarifansätzen – dennoch sozusagen ein breiter Spielraum gegeben ist. Ich fürchte, daß es einer neuerlichen Judikatur bedürfen wird, um das Ganze einigermaßen wieder ins rechte Lot zu bringen.

Weiters, Kollege Böhm, haben Sie § 1330 ABGB, kreditschädigendes Verhalten, angeführt; auch da eine Pauschalierung. Ich finde das schon ein bißchen kurios, weil nachweislich und gerade aus Ihrer Partei vielfach solche Prozesse provoziert werden. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Das kommt überall vor, aber besonders in Ihrer Partei geschieht das, offensichtlich so unter dem Motto: Na ja, Politiker: Lüge hin, Lüge her, irgend etwas wird schon hängenbleiben. Dann steht man vor Gericht und versucht, über kreditschädigendes Verhalten zu streiten, und dann soll es auch letztlich zu einem Urteil kommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Ich möchte Politiker nicht schützen!) Ich bin völlig Ihrer Meinung, aber da hätte man die Ansätze wesentlich erhöhen sollen. Da bin ich absolut Ihrer Meinung!

Zu den Honoraren: Für die Notare darf ich sagen, daß wir bestimmte Mindestsätze haben. Ich bin da absolut nicht der Meinung des Herrn Staatssekretärs Ruttenstorfer, der seinerzeit – ich glaube, im Jänner war das – in einer Grundsatzdebatte in einem Seminar gemeint hat: All das muß weg, das ist nicht mehr zeitgemäß! – Im Gegenteil: Solche Mindestsätze haben einen ganz wichtigen Ordnungsfaktor, denn damit kann der Unfug absolut hintangehalten werden. Im übrigen darf ich für meinen Berufsstand sagen, daß diese Mindestsätze für uns in der Praxis de


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