Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 110

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konzept durchzuringen, das durch demokratische Willensbildung des Volkes legitimiert ist. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

17.17

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir behandeln heute die dringliche Anfrage der FPÖ betreffend "Neutralitäts-Lüge" des Bundeskanzlers. Sie haben hiezu auch die erste Seite einer Wochenzeitschrift fotokopiert, auf der das Bild des Bundeskanzlers mit einer langen Nase abgebildet ist. Man muß sich natürlich als Politiker auch Karikaturen gefallen lassen. Das geschieht des öfteren, aber das ist eben eine Karikatur, und ich glaube, wenn Sie fordern, daß wir dieses Thema sachlich und ernst behandeln sollen, dann sollte man nicht auf Karikaturen als Ausgangspunkt zurückgreifen. Ich meine nicht nur die bildliche Karikatur, sondern auch die Überschrift, die Sie von diesem Format übernommen haben. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Dies war die Aufmachung einer Zeitschrift. Meine Damen und Herren! Das Wort "Lüge" – wir wissen das vom Rechtlichen her – sollte man vor allem dann nicht verwenden, wenn man fordert, etwas ernstlich zu diskutieren. Die Zeitschrift verwendet dies aus aufmacherischen und reißerischen Gründen, und Sie haben das mit dem Titel dieser Anfrage nachgeahmt.

Ich würde meinen, daß – das hat Herr Dr. Böhm auch gesagt – eine Fragestellung in folgender Form besser gewesen wäre: Sind wir heute noch neutral? Stimmt die realpolitische Tatsache mit der Verfassung überein? – Das wären meiner Ansicht nach sachliche Titel für eine Diskussion gewesen. (Bundesrat Dr. Bösch: Glauben Sie, dann wären die Anworten klarer gewesen? – Bundesrat Ing. Scheuch: Hätten Sie uns beigepflichtet?)

Nun einige Worte zu Ihrem Text in der dringlichen Anfrage: Es wird "für fünf Jahre außer Streit" zitiert. Als Bundeskanzler Klima das gesagt hat, hat er nur darauf reagiert, weil andere gemeint haben, man sollte dies nicht zu einem Wahlkampfthema machen. Ich war anderer Meinung und sagte, man könne schon auch in Zeiten einer Wahl darüber reden, denn die Bürger sollen wissen, worin sich politische Parteien in Österreich unterscheiden. Die Antwort darauf ist natürlich, da man das auch zum Thema der Wahl gemacht hat, daß jetzt auch die SPÖ ihre Ansicht dazu bekanntgibt und auf Plakaten druckt.

Ich bin der Meinung, daß es richtig ist: Das neutrale Österreich hat die wichtige Aufgabe, als Vermittler zu einer friedlichen Lösung auf dem Balkan beizutragen. – Nichts anderes. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Standpunkte der österreichischen Parteienlandschaft sind eigentlich klar formuliert, und jeden dieser Standpunkte könnte man jetzt diskutieren. Die FPÖ ist für einen NATO-Beitritt und für die Aufgabe der Neutralität. Ich glaube, es hat sich mittlerweile schon die Einsicht durchgesetzt, daß beides vollwertig nebeneinander nicht möglich ist. Auch die Österreichische Volkspartei ist eher für die Aufgabe der Neutralität. Die Grünen sind strikt dagegen, und die SPÖ ist auch für die Beibehaltung der Neutralität. Es gibt SPÖ-Mitglieder – ich weiß nicht, wie viele –, die anderer Meinung sind, aber die überwiegende Mehrheit der Sozialdemokraten Österreichs ist dieser Meinung.

Ich möchte Ihnen sagen, was ich dazu denke. Ich war persönlich immer für die Beibehaltung der Neutralität, unabhängig von dieser Diskussion – ich werde dann vielleicht noch einige Worte dazu sagen –, aus tiefster Überzeugung, aber nicht deshalb, weil ich geglaubt habe, daß uns die Neutralität in der Vergangenheit – Gott sei Dank ist es nicht dazu gekommen – vor einer echten militärischen Auseinandersetzung, wenn es zu einem Ost-West-Konflikt oder zu einem größeren Konflikt in Europa gekommen wäre, gerettet hätte oder daß wir in der Lage gewesen wären, sie allein zu verteidigen. Welchen Aufwand müßte ein Land leisten, um einer überwältigenden Militärmacht des Ostens oder des Westens, des Nordens oder des Südens trotzen zu können, wenn man sieht, welche Mittel heute in einem Krieg einsetzbar sind?


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