Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 45

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

den, weil man davon ausgehen muss, dass eine theoretische Rückfallsgefahr besteht. Das heißt, wir sind in diesem Bereich sensibilisiert.

Wir müssen vor allem an die Opfer denken, aber wir denken auch an die Täter. Es wird sehr viel unternommen, um diese Täter zu therapieren. Wir machen zum Beispiel derzeit – als Außenstelle von Mittersteig – in Floridsdorf eine Therapiebegutachtungsanstalt. Das heißt, noch während der Haft werden zu einem angemessenen Zeitpunkt rechtzeitig wissenschaftliche Überlegungen angestellt, ob und wie man diese Täter therapieren kann.

Es gibt zwar eine gewisse Personengruppe, die therapieresistent ist, aber es gibt natürlich auch eine große Gruppe, die an die Therapie glaubt und die man auch therapieren muss. Das unternehmen wir, und wir scheuen keine Kosten und Mühen, damit dies tatsächlich geschieht.

Ich kann nicht verstehen, dass man direkt oder indirekt einer Entwicklung das Wort redet, wonach man diese Täter überhaupt nicht dem Staatsanwalt bekannt gibt. Denn damit wird auch auf die Therapie verzichtet, und ein Therapieverzicht ist sicherlich nicht das, was wir wollen.

Was machen wir mit den Opfern? – Es ist nicht so, dass wir uns damit begnügen, dass die Opfer irgendwann einmal erfahren, dass derjenige, der in der Familie Übergriffe begangen hat, verurteilt worden ist, sondern auch die Opfer werden konkret und wissenschaftlich fundiert behandelt.

Im Justizministerium gibt es seit heuer einen Fonds, der ausreichend dotiert ist und "Fonds für Prozessbegleitung" heißt. Wir versuchen festzustellen, welche Kinder zum Beispiel Opfer von Übergriffen geworden sind, und wir wissen genau – weil wir ständig mit Wissenschaftern zusammenarbeiten –, dass es zu einer so genannten sekundären Viktimisierung kommt, wenn Kinder, an denen Sexualdelikte begangen worden sind, über diese Delikte aussagen müssen, ohne professionell darauf vorbereitet worden zu sein. Dann sprechen wir von sekundärer Viktimisierung.

Was geschieht also? – Es werden diesen Kindern Therapeuten zur Verfügung gestellt, es werden ihnen Rechtsvertreter zur Verfügung gestellt, sie werden darauf vorbereitet, dass sie vor Gericht einvernommen werden, und es wird ihnen jede nur erdenkliche Hilfestellung gegeben. Das zu wissen ist wichtig, damit nicht der Eindruck entsteht, es werde nur nach dem Staatsanwalt gerufen, es werde nur nach einer Verurteilung gerufen, und damit hat es sich.

Wir haben im Ministerium – wenn Sie das aufmerksam verfolgt haben, wissen Sie es, wenn Sie es nicht verfolgt haben, dann wissen Sie es eben nicht; aber wir sind gerne bereit, Ihnen detaillierte Auskünfte darüber zu geben – seit Monaten folgende Überlegung angestellt: Wir wissen, dass manche Sexualstraftäter immer wieder eine Rückfallsgefahr in sich tragen. Man kann natürlich nicht die plakative Forderung "Lebenslang ist lebenslang" umsetzen. Es ist eine anerkannte Regel und ein anerkanntes Prinzip der Rechtswissenschaft, dass eine lebenslange Strafhaft nicht zielführend ist. Man darf niemandem – auch wenn er noch so schwere Delikte begangen hat – die Vorstellung nehmen, dass er irgendwann enthaftet werden kann. Also müssen wir darauf achten, dass diejenigen Täter, die einer Gruppe angehören, die psychisch beeinträchtigt ist – ich sage es jetzt einmal ganz allgemein –, rechtzeitig und dauerhaft therapiert werden. (Zwischenruf des Bundesrates Freiberger. )

Was ist die Konsequenz, Herr Bundesrat? – Wir versuchen, diese Täter auszuforschen, wir versuchen, sie zu behandeln, und wir novellieren jetzt das Strafrecht dahin gehend, dass diese Täter möglichst lange – vielleicht sogar ein Leben lang – therapeutisch betreut werden. Dann können sie wieder in ihre Familie zurückkehren. Aber den schmerzlichen Vorgang, dass man sie einmal ausforscht, dass man ihr Verhalten beurteilt, auch strafrechtlich beurteilt, können wir ihnen nicht ersparen – und zwar im Interesse der Opfer. Welch ein Opferschutz wäre das, wenn wir die Täter nicht einmal ausforschen?!

All das bitte ich zu überlegen. Wenn Sie die Güte haben, Herr Bundesrat, bitte Sie, in einer kurzen Stellungnahme auf diese Argumente einzugehen. Es wäre im Sinne demokratiepolitischer Sauberkeit, dass wir miteinander reden und ein Bundesrat nicht, wenn ein brisantes


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite