Bundesrat Stenographisches Protokoll 681. Sitzung / Seite 118

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se schon angeführt – zu Kampfeinsätzen im Konfliktfall, und zwar nicht nur zu friedenserhaltenden, sondern sogar zu friedensschaffenden militärischen Maßnahmen, also zu eindeutigen aktiven kriegerischen Aktivitäten. (Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

Um Österreich die Teilnahme daran zu ermöglichen, ist 1995 – auch das wurde schon gesagt – eine ausdrückliche verfassungsgesetzliche Grundlage geschaffen worden, nämlich der schon erwähnte Artikel 23 lit. f B-VG.

Die völkerrechtlichen wie auch gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen, die Österreich eingegangen ist, und die erwähnten Verfassungsänderungen und -ergänzungen haben das formell, also dem Text nach, zwar aufrechterhaltene Neutralitätsgesetz substanziell völlig ausgehöhlt, mit anderen Worten: Es ist – jetzt rede ich als Jurist – einer weitgehenden materiellen Derogation zum Opfer gefallen. Rechtstheoretisch korrekt kann, zusammenfassend betrachtet, aber überhaupt nicht mehr vom völkerrechtlich klar definierten Status der Neutralität die Rede sein, sondern nur noch von Bündnisfreiheit.

So richtig es ist, dass ein großer Teil unserer Bevölkerung nach wie vor an der Neutralität festhalten will – was aus historischen Gründen sehr gut nachvollziehbar ist –, so wahr ist auch, dass die Politik – und da nehme ich wahrscheinlich keine Fraktion aus – darin versagt hat, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es grenzt daher an die Methode "Haltet den Dieb!", wenn sich gerade die SPÖ, die in der Regierung mit-, um nicht zu sagen hauptverantwortlich für die sukzessive Aushöhlung und den schleichenden Wandel der Neutralität im Zeichen des Schlagwortes Solidarität war, heute in der Oppositionsrolle als Hüter, als Gralshüter ebendieser von ihr längst preisgegebenen Neutralität aufspielt. (Beifall der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. )

Täuschen Sie daher nicht länger der Bevölkerung vor, sie sei nicht längst obsolet geworden (Bundesrat Marizzi: Aber sie steht noch immer in unserer Verfassung!), und nehmen Sie den mündigen Bürger endlich ernst! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Eine ähnliche Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse versuchen Sie in der Frage des Atomkraftwerkes Temelin. Sie werfen meiner Fraktion die Einleitung des Anti-Temelin-Volksbegehrens und die Androhung eines Vetos gegen den EU-Beitritt der Tschechischen Republik vor. – Fragen Sie sich: Was ist Ihre eigene Position? – Maßgebliche Repräsentanten der SPÖ haben mehrfach gefordert, im Zuge der Beitrittsverhandlungen das Energiekapitel so lange nicht abzuschließen, bis der von Österreich eingemahnte Sicherheitsstandard erreicht ist – das entspricht auch der Beschlusslage beider Hohen Häuser, die Sie mittragen.

Wie haben Sie jüngst Bundesminister Molterer angegriffen, als er erklärte, die Stilllegung des AKW Temelin sei nicht mehr realistisch! – Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ: Was wäre im Ergebnis anders, wenn Österreich dem Abschluss des Energiekapitels nicht zustimmen sollte? – Es liefe auf dasselbe wie ein Veto gegen den EU-Beitritt als solchen hinaus! – Auch bei diesem Thema streuen Sie also den Bürgern Sand in die Augen.

Lediglich beim dritten Themenkreis der dringlichen Anfrage, der EU-Osterweiterung, räume ich ein, dass es hiebei allerdings Auffassungsunterschiede gibt – nicht in der Frage des grundsätzlichen Ja zur Osterweiterung, wohl aber hinsichtlich der Einschätzung des Zeitplans der ersten Beitritte und in der Frage, ob es dabei eine unmittelbare demokratische Willensbildung des Volkes geben soll. – Diese unterschiedlichen Positionen – das sehe ich so wie Kollege Himmer – erscheinen mir jedoch als völlig legitim. Zum Glück ist die Zeit von Einheits- und Blockparteien unseligen Angedenkens wie der SED vorbei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dass diese Auffassungsunterschiede letztlich in der Komplexität der Thematik gründen, wissen Sie selbst sehr gut. Wie ließe sich sonst erklären, dass auch in Ihren eigenen Reihen höchst differenzierte Meinungen geäußert worden sind? – Erinnern Sie sich an hoch- und höchstrangige SPÖ-Funktionäre – wir haben auch einige in unserer Mitte – im ÖGB und in der Arbeiterkammer, die in der Frage der Übergangsfristen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und in der


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