Bundesrat Stenographisches Protokoll 686. Sitzung / Seite 109

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So weist etwa das WIFO in den Monatsberichten 2 dieses Jahres darauf hin, es gebe zwar erste Hinweise auf eine Erholung der Industriekonjunktur, hält aber andererseits die Binnennachfrage für schwach und sieht weitere Probleme in der Arbeitsmarktlage. Laut eben dieser WIFO-Studie lag die Zahl der unselbständig Beschäftigten ohne Präsenzdiener und Karenzgeldbezieher im Jänner mit 11 000 unter sowie jene der Arbeitslosen um 40 000 über dem Niveau des Vorjahres.

Ich glaube, besonders zynisch mutet es da an, wenn Abgeordneter Mitterlehner diese Zahlen im Nationalrat damit kommentiert, es sei doch – ich zitiere – "müßig, über einige Fälle zu diskutieren, denn im Wesentlichen haben wir eine Beschäftigung auf sehr hohem Niveau".

Da wird auch sein Einwurf, jeder Fall sei bedauernswert, nicht glaubhafter, vor allem dann, wenn wir auch in Betracht ziehen, dass hinsichtlich der Realeinkommensentwicklung in der Europäischen Union Österreich mittlerweile auf dem Abstiegsplatz liegt.

Die immer wieder von Seiten der Regierung ins Treffen geführte Verantwortung, man habe in Wahrheit kaum Spielraum und Zeit für nationale Maßnahmen, das Erbe der Vorgängerregierung sei so schwer, und im Übrigen mache man ohnehin alles, was man tue, richtig, muss in diesem Zusammenhang, so glaube ich, einmal im Lichte eigener Aussagen betrachtet werden.

Da betont etwa der ehemalige Wirtschaftsminister Farnleitner – angeblich auch heute noch Berater der Regierung –, dass man selbstverständlich von der Höhe der Schulden gewusst habe, zumindest diejenigen, die bis vier zählen können, wie er selbst hinzufügte.

Altparteiobmann Haider richtet an die Himmelpfortgasse den Vorwurf der herzlosen Technokratiepolitik. Die Frau Vizekanzlerin betont, man habe bei der Besteuerung der Unfallrenten nicht sozial ausgewogen agiert. Der Sozialdemokratie nicht gerade nahestehende Landesräte lehnen die Ambulanzgebühren ab. Der Budgetexperte Lehner betont, die Länder seien – ich zitiere – "ein bißchen hineingelegt worden". Die FPÖ-Spitze kündigt für 2003 eine große Steuerreform an. Führende ÖVP-Politiker sehen dafür wenig Spielraum, dafür umso höheren für Lohnnebenkostensenkungen. Letztere seien notwendig, wird argumentiert, um unter anderem ausländische Investoren ins Land zu holen. Gleichzeitig lässt sich etwa General Motors von den derzeit "hohen" Lohnnebenkosten nicht abhalten, kräftig in Wien zu investieren.

Minister Bartenstein hält in diesem Haus anlässlich des Antrittes der blau-schwarzen Koalition fest: "Ich stehe nicht eine Minute an, zu sagen, dass die (gute) Ausgangslage, die wir heute vorfinden, natürlich auch das Verdienst der abgetretenen Bundesregierung ist".

Klubobmann Khol meint zu den letzten beiden Budgets der rot-schwarzen Regierung: "Ich denke, dass die Regierungsparteien zufrieden sein können, dass sie ein Budget vorlegen, das den Konsolidierungskurs, den wir nunmehr in den letzten Jahren eingeschlagen haben, zu einem Höhepunkt und Endpunkt führt. Ich danke der Regierung und dem Finanzminister."

Abgeordneter Stummvoll, heute offenbar ein vehementer Gegner seiner eigenen jahrzehntelangen Politik, hält das Budget 1999 für "ein Signal der Stabilität und Kontinuität". – Soviel also zur angeblichen Verwerflichkeit der vorgefundenen Rahmenbedingungen.

Es wäre indes – und das ist zuzugeben – auch nicht richtig, zu behaupten, die Wirtschaftspolitik der neunziger Jahre sei in all ihren Facetten vom Makel der Unfehlbarkeit behaftet, genausowenig wie das vorliegende Konjunkturbelebungsgesetz in allen Punkten ablehnenswert ist.

Das tiefere Problem scheint mir vielmehr darin zu liegen, dass jener Teilbereich, der in den neunziger Jahren tendenziell falsch angelegt wurde, von der nunmehrigen Regierung zur Perfektion gebracht wird. Denn die bisherige wirtschaftspolitische Performance der FPÖ-ÖVP-Koalition war geradezu ein Paradebeispiel für prozyklische Wirtschaftspolitik.

Während ÖVP und SPÖ in den neunziger Jahren zum Teil in guten Jahren die Ausgaben unzweifelhaft zu hoch belassen haben und Steuerreformen durchführten, über deren Notwendigkeit man ebenfalls diskutieren kann, haben FPÖ und ÖVP – und es sollte auffallen, dass


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