Bundesrat Stenographisches Protokoll 687. Sitzung / Seite 25

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Demonstration gegen diese ungeheure neofaschistische Provokation dabei! Was denn sonst hat ein aufrechter Demokrat an einem solchen Tag zu tun? (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.  – Bundesrätin Haunschmid: Vermummt?) Ich werde an jeder dieser Demonstrationen teilnehmen, friedlich, aber entschlossen, Herr Kollege, und ich werde Sie, wie so oft, auf der anderen Seite treffen. Das trennt uns! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Haunschmid: Steine schmeißen – das ist friedlich?)

Herr Kollege! Ich begrüße es, dass der Militärkommandant von Wien die Krypta unter dem Heldendenkmal für den am 8. Mai beabsichtigten Mummenschanz nicht zur Verfügung stellt. Dieser politischen Weisheit und diesem Verantwortungsbewusstsein sind in höchstem Maße Respekt zu zollen. Ich begrüße die Absicht der Wiener Polizei, den Heldenplatz – wie immer er jetzt heißt, vorläufig heißt er topographisch noch so (Bundesrat Dr. Aspöck: Platz für die Opfer des Faschismus!)  – am 8. Mai für Demonstrationen zu sperren. Ich glaube, auch dies ist ein Beitrag zu jener öffentlichen Sicherheit und zu jener demokratischen Entwicklung, die wir wollen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. )

Herr Kollege! Wenn es Ihnen nicht recht ist und Sie für Prügeleien eintreten, steht Ihnen das natürlich frei. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wir wollen in dieser Stadt – und ich bin Wiener Bundesrat, und ich kann mich vollinhaltlich mit den Worten meines Landeshauptmannes und Bürgermeisters identifizieren – keine Demonstration, die den Tag, der die Nachkriegsentwicklung ermöglicht hat, als Trauertag begeht. Das ist eine Verletzung des Grundkonsenses unserer Republik, und dagegen muss sich diese Republik zur Wehr setzen! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Herr Kollege Khol wird schon gewusst haben, was er gemeint hat, als er unter einer anderen Konstellation die FPÖ außerhalb des Verfassungsbogens angesiedelt hat. Es hat ihn und andere nicht daran gehindert, diese Regierungszusammenarbeit einzugehen. Darauf angesprochen, hat Herr Klubobmann Khol einen bemerkenswerten Satz – ich habe ihn schon ein paar Mal zitiert – gesprochen, in dem er "die Wahrheit zur Tochter der Zeit" erklärt hat.

Da hat Herr Professor Khol offensichtlich die Generationenfolge ein wenig verwechselt. Es ist die Zeit, die, wenn sie eine gute Zeit ist, eine Tochter der Wahrheit ist. Aber wenn die Zeit, in der Menschen zu leben gezwungen sind, eine Tochter der Lüge ist, dann ist es eine schlechte Zeit. Herr Professor Khol wird daran nichts ändern, indem er die Dinge umkehrt.

Diese Zeit, in der wir leben, ist eine Zeit, die eine Tochter der Lüge ist. Die ÖVP hat – und ich bedauere das zutiefst – ihre oder viele – ich bin zurückhaltend – ihrer Basiswerte auf dem Altar des Machtgewinns und Machterhalts geopfert. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Himmer: Sagen Sie uns diese Werte!)

Wir betteln um nichts, aber wissen Sie, Herr Kollege, wir haben in vielen Jahrzehnten zusammengearbeitet – mit Problemen und Konflikten und mit gemeinsamen Haltungen. Nichts davon möchte ich aus der Geschichte dieses Landes, aber auch nicht aus der Geschichte meiner eigenen Partei streichen. Die Menschen, die mir politisch Vorbild gewesen sind – die Hälfte davon war von der ÖVP –, haben auch dann, wenn die Konflikte zwischen diesen Parteien hart geworden sind, etwas beschworen, von dem ich und Menschen meiner Generation – und erst recht Ihrer – naturgemäß nur vom Hörensagen sprechen können. Aber wenn diese Gründungsmütter und -väter unserer Republik vom Geist der Lagerstraße gesprochen haben, der sie zusammengeschweißt hat, dann haben sie gewusst, wovon sie geredet haben. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Mir steht es nur zu, das ehrfurchtsvoll zu zitieren, doch, Herr Kollege, ich meine, dass das zu den Grundwerten gehört, und zwar zu den ganz wichtigen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Diese Republik – und das steht in ihrer Geburtsurkunde – ist aus dem Geist des Antinazismus geboren, und wir haben das täglich neu zu erringen. Wissen Sie, im Gegensatz zu anderen bin ich nicht der Meinung, dass sich Menschen nachfolgender Generationen eine Schuld zu tilgen


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