Bundesrat Stenographisches Protokoll 691. Sitzung / Seite 42

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nun betroffenen Flüsse gemessen wurden. Dabei wurde festgestellt, dass es einen außergewöhnlich hohen Anstieg des Wasserpegels in dieser kurzen Zeit gegeben hat.

Der rasche Anstieg hatte natürlich auch in der Kraftwerkskette eine entsprechende Auswirkung. Beim Staudamm Thurnberg stieg beispielsweise der Zulauf des Wassers innerhalb von 24 Stunden von 3 auf 610 Kubikmeter pro Sekunde. Es waren drei Tage mit Niederschlägen zu verzeichnen, wie man sie in diesem Gebiet noch nie erlebt hatte, und es gab auch dementsprechende Schwierigkeiten, die im Zuge dieses Hochwassers vom August 2002 aufgetaucht sind: Es waren der ungewöhnlich hohe Anstieg des Pegels, teilweise auch Ausfälle der Datenübertragung in der kritischsten Phase zu verzeichnen, die Datenbeschaffung musste über Notsysteme gemacht werden, über Feuerwehr, Gendarmerie und Bundesheer. Eine manuelle Dateneingabe hat natürlich bei der Prognoseerstellung einen gewaltigen Zeitverlust bedeutet.

Es war noch nie da, dass die Zuflüsse aus dem Mühl- und dem Waldviertel für die Donau relevant geworden sind. Im Bereich des Kamp-Flusses waren besonders die Orte Schönberg, Zöbing und Stiefern betroffen. In Zöbing traf die Flut in der Nacht vom 7. auf den 8. August ein, und zwar circa um 22.30 Uhr. Der Strom fiel aus, die Telefonnetze funktionierten nicht mehr, die Handy-Netze waren überlastet, die alten Menschen wurden in ihren Betten von den Fluten regelrecht überrascht. Es gab Situationen, in denen alleinig Nachbarhilfe dafür ausschlaggebend war, dass keine Menschenopfer zu beklagen waren. Die Feuerwehrmänner kämpften sich durch und stiegen in manche Wohnungen und Häuser ein, um die betagten Herrschaften in dieser Notsituation nicht alleine zu lassen und sie auch von dort herauszuholen.

In Etsdorf – das ist mein Gemeindegebiet – traf das Hochwasser einige Stunden später ein. Wir waren durch den Katastrophenalarm der Nacht bereits vorgewarnt, dass es eine Flutwelle geben würde. Etsdorf ist ein Gebiet, das mehr als einen Kilometer vom Kleinen Kamp – das ist nicht der Große Kamp – entfernt liegt, wobei man nie gedacht hätte, dass dort ein Hochwasser kommen könnte, und schon gar nicht gedacht hätte, dass es solche Ausmaße annehmen könnte. Wir haben die ganze Nacht lang Sandsäcke gefüllt, Barrikaden aufgestellt, Fenster mit PU-Schaum verkittet und haben in Panik darauf gewartet, was tatsächlich passieren wird, ohne zu glauben, dass es so etwas tatsächlich geben kann.

Wir wurden alle überrascht: Es barsten die Fensterscheiben. Das Hochwasser kam mit einer dermaßen gewaltigen Wucht und Menge, dass man auf den Straßen nur mit dem Kanu fahren konnte – und das unter sehr schwierigen Bedingungen. Wir konnten das Nötigste retten. Aber wir haben etwas erlebt, und zwar eine Welle der Hilfsbereitschaft und der Solidarität, wie ich sie vorher nie gekannt habe. Es waren Feuerwehren aus allen Bundesländern bei uns im Einsatz, es waren auch Feuerwehren aus Deutschland und aus Tschechien da. Sowohl das österreichische Bundesheer als auch die Exekutive und viele Organisationen aus allen Bereichen waren optimal tätig. Viele freiwillige Helfer waren vor Ort, die einfach mit ihrer Schaufel gekommen sind und mitgeholfen haben. Ihnen allen möchte ich meinen herzlichsten Dank aussprechen. (Allgemeiner Beifall.)

Es war nicht nur die Hilfe, die für uns so wichtig war, es war vor allem auch dieses Gefühl der Gemeinschaft, dieses Zusammenhalten, das uns so bestärkt hat und daran glauben ließ, dass der Wiederaufbau möglich ist, obwohl wir vom zweiten Hochwasser, das einige Tage später in der gleichen Wucht über uns hereingebrochen ist, dann doch schon ziemlich entmutigt, aber auch wieder sehr überrascht waren.

Es wurden circa 11 000 Personen evakuiert, 1 312 mussten unter dem Einsatz von Hubschraubern aus ihren Häusern geholt werden. Es wurden mehr als 9 500 Gebäude beschädigt, es gab enorme Schäden am Gemeindevermögen. Allein in meiner Gemeinde wurden die Hauptschule, zwei Volksschulen und auch zwei Kindergärten so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass der Schulbeginn verschoben werden musste. Die Hauptschüler kommen auch heute noch am Nachmittag freiwillig und arbeiten mit, um Schmutz zu beseitigen und Geröll wegzuräumen.

Die Wasserver- und -entsorgung unserer Gemeinde wurde stark in Mitleidenschaft gezogen; es waren selbstverständlich alle Infrastruktureinrichtungen wie Brücken, Straßen, Bahn und auch


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