Bundesrat Stenographisches Protokoll 693. Sitzung / Seite 11

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Kaste empfunden wird, sondern dass bewusst ist, dass die Organisation des Bundesstaates von ganz entscheidender Bedeutung für den Bürger ist. Größere Überschaubarkeit, mehr politische Mitgestaltungsmöglichkeit, mehr Demokratie für den Bürger, besseres Service für den Bürger, bürgernahe Verwaltung, rascherer und effizienter Verwaltungsablauf, damit zugleich auch geringere Steuerlast, also alles, was sich ein Finanzminister nur wünschen kann: Das muss der Nutzen für den Bürger sein. Dafür sind die institutionellen Voraussetzungen zu schaf­fen.

Eine Feststellung erscheint mir besonders wichtig: Staatsreform darf nicht mit Zentralisierung verwechselt werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Föderalismus ist kein teurer Luxus, sondern Föderalismus ist, wenn er richtig organisiert ist, also wenn die Aufgaben richtig zugeordnet sind, moderner, bürgernäher, demokratischer und kostengünstiger als Zentralismus.

Föderalismus ist daher auch keine Frage der Einwohner- oder Flächenquantität!

Österreich ist ein Bundesstaat. Bei aller Liebe und Wertschätzung für die Bundeshauptstadt, in der wir uns immer wieder gerne versammeln, muss ich festhalten, dass die gesamtöster­reichische Perspektive dennoch eine größere und weitere ist, als es die alleinige Sicht aus der Bundeshauptstadt wäre. Das ist ganz besonders deswegen zu betonen, weil im Gegensatz zu den klassischen Bundesstaaten Schweiz, Deutschland und USA – diese haben auch ganz unterschiedliche Größenordnungen, sind aber dennoch alle föderal stark organisiert –, in denen die wichtigsten staatlichen Institutionen, aber auch die meinungsbildenden Medien auf ver­schiedene Orte aufgeteilt sind, in Österreich das Meiste in Wien zentriert ist; und – und das ist menschlich – der Standort bestimmt leider nicht selten den Standpunkt.

Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass wir bis zum Jahr 2005, dem 60. Jahr der Wiedererrichtung der Zweiten Republik, also der Schaffung des neuen demokratischen Österreichs durch den großen Grundkonsens aller Demokraten vom 27. April 1945, und dem 50. Jahr des Staatsver­trages, also der Wiedererlangung der vollen Souveränität Österreichs, zu Ergebnissen kommen werden. Das wäre ein sehr schönes Zeichen.

Wir werden in diesem Frühjahr auch, wie Präsident Ludwig Bieringer hier im Dezember mitge­teilt hat, den Workshop „Der Bundesrat und die Wahrnehmung der Länderrechte“, der bereits für den vergangenen Herbst geplant war, abhalten und ihn insbesondere als bereichernde, ideen­gebende Veranstaltung für den Österreich-Konvent fokussieren.

Ich hoffe sehr, dass wir als Bundesrat für den Österreich-Konvent pionierhafte Initiativen setzen können. In einer Hinsicht war der österreichische Bundesrat – in vieler Hinsicht, aber in dieser ganz besonders – jedenfalls weltweit für die parlamentarische Demokratie pionierhaft – ich sage das besonders gerne im Angesicht der ersten Frau Landeshauptmann Österreichs, einer Institution, die es in der Steiermark schon seit 767 Jahren gibt und deren Funktion seit sieben Jahren eine Frau in imponierender und zukunftsträchtiger Weise ausübt.

Vor genau 75 Jahren, im ersten Halbjahr 1928, hat es auch einen steirischen Bundesratsvorsitz gegeben: Die steirische christlich-soziale Journalistin Olga Rudel-Zeynek war die erste weibliche Vorsitzende des Bundesrates und damit, wie die Interparlamentarische Union in ihrer Publikation „Men and women in politics“ feststellt, weltweit die erste Parlamentspräsidentin.

Die erste Frau, die in der Zweiten Republik den Vorsitz im Bundesrat führte, war übrigens vor genau 50 Jahren wiederum – und ich glaube, es ist mehr als ein Zufall – eine Steirerin, nämlich Dipl.-Ing. Johanna Bayer. Ich möchte es mir zur Aufgabe machen, im ersten Halbjahr 2003 die pionierhafte Rolle steirischer Frauen besonders hervorzustreichen – ein Halbjahr, in dem ich trotz des ernsten weltpolitischen Hintergrunds, trotz der weltpolitisch bedrohlichen Lage hoffe, dass es ein friedliches sein möge und alle für den Frieden arbeiten.

 


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