Bundesrat Stenographisches Protokoll 697. Sitzung / Seite 141

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In meiner jetzt 25-jährigen Tätigkeit in der Gemeinde ist es zum ersten Mal geschehen, dass innerhalb eines Budgetjahres ein Schreiben des Finanzministers an die Landes­regierung ergangen ist, womit den Gemeinden mitgeteilt wurde, sie sollten die Budgets für das Jahr 2003 mit 1. Juli 2003 korrigieren, und zwar sollten sie auf der Einnahmen­seite 4 Prozent weniger veranschlagen. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Herr Staatssekretär! Ich weiß nicht, wie man sich das vorstellt! Wie das zwischen Land und Bund läuft, weiß ich nicht, das Schreiben ist auf jeden Fall von der Landesregierung gekommen – nach entsprechender Mitteilung seitens des Finanz­ministeriums. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Ja, Herr Staatssekretär, aber Sie wissen ganz genau, dass die Budgets in den Gemeinden im Dezember des Vorjahres erstellt werden. Sie wissen ganz genau, dass Investitionen, Straßenbauten et cetera, in der Regel ab März, April, Mai getätigt werden, damit die Arbeiten vor dem Sommer erledigt sind. Das heißt, die größeren Investitionsbeträge sind bereits ausgegeben, die Vereine beantragen Subventionen, und ab 1. Juli liegt das Sparpotential bei den Gemeinden meiner Meinung nach fast bei Null. Ich habe mit einigen Bürgermeistern gesprochen, ich wüsste nicht, wo man die 4 Prozent, die man weniger von den Bundesertragsanteilen bekommen soll, einsparen könnte.

Das ist das erste Mal, das hat es noch nie gegeben, dass die Bundesertragsanteile rückläufig sind. Es hat minimale Zuwächse gegeben, es hat auch schon einmal stag­niert, aber dass ein Minus von 4 Prozent herauskommt – wobei der Bund sich an und für sich bei der Kohlesteuer, also bei Steuern, an denen die Gemeinden oder die Län­der nicht beteiligt sind, sehr gut bedient, aber in diesem Bereich die Gemeinden letzten Endes zur Kassa bittet, das geschieht zum ersten Mal!

Der dadurch erzwungene Ausfall an kommunalen Investitionen trägt nämlich nicht un­erheblich zur Schwächung der österreichischen Wirtschaft bei.

Es ist aber auch traurig, meine Damen und Herren, dass diese Bundesregierung laut Regierungsprogramm weitere massive Belastungen für die Gemeinden und Städte vor­hat: die drohende Abschaffung der Werbesteuer oder die Übertragung der Notstands­hilfe an Länder und Gemeinden.

Der Bund verabschiedet sich aus seiner Verantwortung zur Finanzierung des öffent­lichen Personennahverkehrs.

Die Senkung der Lohnsteuer im Zuge der geplanten Steuerreform bedeutet für die Ge­meinden einen Einnahmenentfall, während die Anhebung beziehungsweise die Einfüh­rung neuer Steuern – die Kohlesteuer habe ich schon erwähnt – ausschließlich dem Bund zugute kommt.

Die Rückzahlung der Getränkesteuer, zirka 1,16 Milliarden €, wird höchstwahrschein­lich noch heuer schlagend. Die Nichteinhaltung der Zusagen des Finanzministers wird für so manche Gemeinde oder Stadt zur finanziellen Katastrophe werden.

Die Pensionsreform kostet die Länder und Gemeinden Mehrausgaben bei der Sozial­hilfe.

Es ist bedauerlich, dass diese Budgetpolitik, die man auch eine Belastungspolitik für Gemeinden und Städte nennen könnte, von den Abgeordneten der ÖVP, obwohl sie die Probleme der Gemeinden und Städte vor Ort kennen, ohne Kritik mitgetragen wird. Was soll man von Politikern halten, die im Lande die Aushöhlung des ländlichen Raumes beklagen, im Nationalrat aber eine Politik unterstützen, die diese Aushöhlung noch beschleunigt? – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.36

 


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kritzinger. Ich erteile ihm dieses.

 


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