Bundesrat Stenographisches Protokoll 697. Sitzung / Seite 193

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Die Geschichte unserer Zweiten Republik ist eine ganz großartige. Aber jetzt bitte nicht als Politiker wieder hergehen und sagen: Wir haben das gemacht! – Nein, der Dank gilt hier in erster Linie der österreichischen Bevölkerung, die großartige Aufbauhilfe und Aufbauarbeit geleistet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ.)

Erst in zweiter Linie gilt er den Politikern der ersten Stunde, die sicherlich das Ihre dazu beigetragen haben, und auch den späteren Politikergenerationen, auf die ich aber noch zu sprechen kommen möchte.

Ich möchte den führenden Politikern der Aufbauzeit und vor allem danach nicht grund­sätzlich überall böse Absicht unterstellen, ich möchte aber sehr wohl betonen, dass bei allen doch auch sehr grobe Fehler gemacht wurden. Gleichgültig, ob in Zeiten der großen Koalition, der ÖVP-Alleinregierung, der SPÖ-Alleinregierung, und dann nach einem kurzen Intermezzo SP-FP, das ja wirklich nicht lange gedauert hat, wieder der großen Koalition, es gab immer wieder einerseits von Spitzenpolitikern dieser Repub­lik – und ich sage ausdrücklich: von Spitzenpolitikern der SPÖ und der ÖVP – das sichere und ehrliche Bemühen, sozial gerecht zu agieren.

Meine Damen und Herren! Daneben – und das ist der Punkt, auf den es mir an­kommt – gab es aber auch andere Interessen, und diese anderen Interessen haben in dieser Republik wie Wildwuchs immer wieder überhand genommen: Eigeninteressen zu Erhaltung der Macht. Was liegt näher, wenn man die Macht erhalten will, als seine eigene Wählerklientel ganz besonders zu bedienen?

Meine Damen und Herren! In der großen Koalition sah das dann so aus: Bekommst du etwas für die Bauern, bekomme ich etwas für die Eisenbahner! Bekommst du etwas für die Beamten, bekomme ich etwas für die Postler! – Und Sie wissen ganz genau auf der linken und auf der rechten Seite in diesem Haus, dass dieses Spiel in dieser Republik allzu sehr übertrieben wurde. Und es war in diesem Spiel vielen Kräften vollkommen gleichgültig, wie desaströs die finanzielle Situation dieser Republik war. Von 23 Milliar­den Schilling Schulden im Jahr 1970 haben wir uns bis 1999 auf 2 300 Milliarden hin­aufgearbeitet. Es ging nur darum, auszugeben, die eigenen Leute zu bedienen und damit die eigenen Machtansprüche zu sichern.

Meine Damen und Herren! So kam es zu einer Zweiklassengesellschaft. Die einen waren eben im besseren Bereich tätig – ganz egal, wo ich jetzt hinschaue, ob auf die eine oder auf die andere Seite –, und die anderen hatten das Pech, nicht in irgend­welchen von besonderen politischen Interessen geschützten Bereichen zu arbeiten.

Und in den letzten zehn und 15 Jahren, meine Damen und Herren, fand dann kein ein­ziger Spitzenpolitiker, obwohl die Situation jedem von ihnen bekannt sein musste – die Bevölkerungspyramiden wurden nicht erst vorgestern erfunden –, den Mut, der Bevöl­kerung reinen Wein einzuschenken. Und ich möchte auch hier gleich – ich meine, gleichgewichtig und gleichartig – austeilen: Einerseits versandte man Briefe, in denen Pensionen, die, wie wir sehen, gar nicht so sicher sind, als sicher dargestellt wurden, und andererseits sagte man vor laufender Kamera, dass eine laufende Pensionsreform das A & O sei und für die nächsten Jahrzehnte nichts Neues zu erwarten sei.

Meine Damen und Herren! Beides – wir wissen das – war nicht richtig. Es war nicht ehrlich gegenüber der Bevölkerung.

Als wir Freiheitliche in die Regierung kamen, kam zumindest etwas in Bewegung. Mutig wurde eine Reform zumindest einmal in Angriff genommen, die zuvor nur verbal diskutiert wurde. Und es wurde in zähem Ringen, wie ich meine, auch ein gutes Er­gebnis erzielt. Ich glaube, dass das vorliegende Paket für die Bereiche, die es betrifft, durchaus gut ist und durchaus auch gerecht ist. Und ich glaube, dass wir Freiheitliche


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