Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 21

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Es ist zu einfach, das jetzt an einem – noch dazu neuen – Mitgliedsland festzumachen, obwohl dieses wahrlich auch nicht hilfreich war. Aber es ist natürlich bei diesem Versuch, Europa eine Verfassung zu geben, so, dass sich all das, was es in der Vergangenheit an angeblichen Interessenkonflikten – ich kann sie ja so nicht erkennen, aber dazu werde ich noch etwas sagen – gab, als nicht vereinbar erwiesen hat.

Ich sage nochmals – ich habe das bei anderen Debatten schon gesagt –: Es hat sich gezeigt, dass jene Recht hatten, die davor warnten, das Paket, das der Konvent in langer Arbeit geschnürt hat und mit dem naturgemäß nicht jeder zufrieden war, nochmals aufzumachen. Es ist genau jene Büchse der Pandora geworden, vor der die Konventualen, die daran mitgearbeitet haben – auch Kollege Tusek, ehemals aus unserem Kreis –, so sehr gewarnt haben.

Wenn man beginnt, im Stil der seinerzeitigen Gipfel zu versuchen, Interessen abzu­gleichen, dann landet man, wie in Nizza, in einer Sackgasse, in der Formel­kom­promisse und offene Unvereinbarkeiten entweder gerade noch übertüncht werden können oder, wie eben diesmal, nicht mehr.

Ich sage sehr offen: Auch wir selbst – und die österreichische Bundesregierung – haben uns zu fragen, wie hilfreich wir und die Bundesregierung in diesem Fall waren. Nochmals: Die einfachen Schuldzuweisungen sind mit Sicherheit falsch. Es waren auch nicht die Polen und die Spanier. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) – Reklamieren Sie sich jetzt als Schuldiger hinein, Herr Bundes­kanz­ler? (Heiterkeit bei Bundeskanzler Dr. Schüssel.)

Es freut mich, dass ich zu Ihrer Erheiterung beitrage, Herr Bundeskanzler. Sie haben ja sonst wenig zu lachen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Na, das weiß ich nicht so recht – aber soll sein. Herr Kollege, Heiterkeit hält aufrecht und hält auch jung – ich wünsche Ihnen das. Bei limitierter Redezeit muss ich allerdings darum ersuchen, ein bisschen Mitleid walten zu lassen mit dem Fortgang meines Rede­flus­ses.

Wir sind gemeinsam für das Prinzip eingetreten, und die Bundesregierung hat das ver­sucht – erfolgreich, soweit man das von Zwischenergebnissen ablesen kann –, dass jedes Land einen Kommissar haben soll. Das ist etwas, was in unserer Bevölkerung durchaus populär ist, das ist etwas, wo wir sagen können, das gehört zu unserem politischen Selbstbewusstsein, das ist ein Stückchen unserer nationalen Identität. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) Ganz im Gegen­teil, ich habe Sie gerade gelobt, Herr Bundeskanzler! Sie sollten meine Beistriche nicht für Interventionen benützen, erst die Punkte. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Es wird schon noch was kommen!) – Es kommt sicher noch etwas.

Das war also, wenn man so will, ein Erfolg. Ja, wenn man so will, war auch das Festhalten Polens an der Nizza-Stimmrechtsgewichtung ein Erfolg. Ich weiß nicht, wie viele solche „Erfolge“ sich die Europäische Union noch leisten kann. (Ruf bei der ÖVP: Keine Sorge! Die hält das schon aus!) – Herr Kollege, ich danke Ihnen für Ihre tiefen Einsichten.

Wahr ist, dass ich mit Schrecken beobachtet habe – und das schon vor acht Jahren –, dass es einen Satz gegeben hat, den jeder österreichische Politiker – bis hinunter auf die Gemeindeebene – innerhalb von drei Monaten nach dem Beitritt hervorragend auszusprechen gelernt hat: dass nämlich die berühmten Bürokraten in Brüssel an allem schuld sind, auch am Nichtfunktionieren der örtlichen Müllabfuhr. Dieses Aus­reden auf Brüssel – was nicht heißt, dass dort keine Fehler passieren! –, dieses Ab­schieben der Verantwortung und dieses Festhalten an so genannten nationalen For­derungen ist ein heikles, kritisches und gefährliches Vorzeichen für die Entwicklung der Union.

 


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