Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 192

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Binna das Wort.

 


22.14

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Gudenus, Ihre Ausführungen mit dem Ticken haben mir sehr gut gefallen, nur: Nach Beschluss dieser Reform werden die Uhr auf dem Bahnhof, die dort hängen, nicht mehr ticken, sondern es wird eine Zeitbombe ticken, bis die ÖBB in den Graben gefahren werden. So wird es in Zukunft ausschauen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Vorweg eines: Ich hatte vor zirka 25 Jahren die Möglichkeit beziehungsweise das Glück, meine Lebensplanung neu zu gestalten. In letzter Zeit mache ich mir Gedanken darüber, ob das überhaupt der richtige Schritt war – denn ich bin Eisenbahner gewor­den. Ich verstehe eigentlich nicht, ob ich mir irgendeiner Schuld bewusst sein sollte oder ob ich irgendetwas verbrochen habe. Die Diffamierungen und Diskriminie­rungen, die wir Eisenbahner in der letzten Zeit aushalten müssen, sind für mich und für meine Kolleginnen und Kollegen nicht mehr zu ertragen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was mich besonders erschüttert, das ist der Umstand, dass diese Diffamierungen auch noch von Regierungsseite betrieben werden. (Beifall bei der SPÖ.) So hat zum Beispiel Herr Verkehrsminister gemeint, jeder vierte Eisenbahner gehe keiner sinnvollen Tätig­keit nach.

Diese ÖBB wird nicht in die Zukunft gehen. Wenn auf ihren Tafeln steht: Reformen braucht die Bahn!, so haben wir Eisenbahner eigentlich nichts dagegen, nur: Diese Reform ist für null und nichtig zu erklären!

Weil Kollege Bader – er ist leider nicht im Saal – das Beispiel angesprochen hat, dass die Güterverkehrsleistung ... (Rufe: Da ist er!) Ist er im Saal? Bitte um Entschuldigung! Sie haben gemeint, dass die Güterverkehrsleistung oder Transportleistung in Groß­britannien gestiegen ist. Da muss ich Sie berichtigen. Die ÖBB sind im Güterverkehr Nummer eins in Europa und im Personenverkehr Nummer drei in Europa. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Ich glaube kaum, dass diese Positionen negativ sind.

Oder ist es dann so wie in Großbritannien? – Nach der Zerschlagung und dem Verkauf der britischen Staatsbahnen vor zehn Jahren wurde es lebensgefährlich, dort mit der Bahn zu fahren. Gewinne waren wichtiger als Menschenleben. Die Folgen: 80 Prozent der britischen Züge haben Verspätungen. Es wurde dort nichts mehr investiert. Ein­sparungen bei der Sicherheit und beim Personal führten zu zahlreichen Unfällen mit 55 Toten. Die Ticketpreise stiegen um bis zu 100 Prozent. Das Service war desaströs. Der einzige Ausweg: 2002 wurde die britische Bahn wieder verstaatlicht. (Bundesrat Dr. Böhm: Die war ja privatisiert! Das ist ja bei uns nicht der Fall!) Ja, Herr Dr. Böhm, und genau auf dem Weg sind wir: zur Privatisierung. Mit Sicherheit! (Bundesrat Dr. Böhm: Nein, das ist eine Behauptung!)

Zwei Aussagen von Dr. Alexander Hedderich, dem Wettbewerbsbeauftragten der Deut­sche Bahn AG, Berlin, in der ÖBB-Zeitung „Tempo“: Der Wettbewerb auf der Schiene muss konsequent möglich sein. – Damit haben wir eigentlich kein Problem. –Weiters: Eine Zerschlagung der Bahn verursacht zahlreiche Schnittstellen und Anreizprobleme. Sie löst im Gegenzug kein einziges Problem. – Das ist eine Aussage des deutschen Wettbewerbsmanagers!

Herr Kollege Bader, zu Ihren Ausführungen betreffend Schrankenanlage möchte ich sagen: Ich weiß nicht, ob Sie die derzeitige Situation kennen. Um eine Schranken­anlage zu bauen, gibt es derzeit eine Drittel-Lösung: Ein Drittel bezahlt die ÖBB, ein


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite