Bundesrat Stenographisches Protokoll 705. Sitzung / Seite 76

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variablen Kosten sein, die damit wegfallen! Das halten wir einfach für zu wenig. Ich denke, wir müssen uns die Kostenstruktur tatsächlich einmal ansehen, dann ent­sprechende Maßnahmen setzen und eine progressivere Reduktion der Kosten vorneh­men.

Heimbewohner-Vertreterinnen und ‑Vertreter sind sehr gut, sehr recht, sehr schön, nur haben wir die Situation, dass auf 100 000 betreute Menschen 50 Vertreterinnen und Vertreter kommen, und das ist zu wenig. Auch hier gilt es Maßnahmen zu setzen.

Bei Freiheitsbeschränkungen geht es um eine Gratwanderung, das ist völlig klar. Es ist dies ein besonders sensibler Bereich, der ebenfalls mit wirklich großer Obacht und Obsorge zu behandeln ist.

Ich habe eingangs schon gesagt, dass dies einen sehr wichtigen Bereich unserer Ge­sellschaft betrifft. Generell gilt es, sich anzuschauen, was denn Pflege beziehungs­weise Betreuung von alten, kranken und behinderten Menschen heißt. Eines der obers­ten Prinzipien muss in diesem Zusammenhang die Autonomie sein, die Unab­hän­gigkeit und die Selbstständigkeit der Menschen. Dies muss im Vordergrund stehen.

Alter, Krankheit und Behinderung bedeuten in der Regel – oder sehr häufig – auch Isolation, Vereinsamung und in der Folge oftmals Heimaufenthalt. Gerade in solchen Phasen ist es besonders wichtig, dass Familie, Freunde, Nachbarn um diese Men­schen sind, damit für sie Geborgenheit, Sicherheit und viele andere Werte gewähr­leistet werden können. Da ist für uns ein wichtiger Punkt, die Wohnsituation anzu­schauen, beziehungsweise da ist schon vorher anzusetzen: Was bedeutet das auch im Hinblick auf extramurale Pflege? Wie kann diese vor Ort in den bestehenden Wohn­verbänden erfolgen? Welche Systeme kann es in den Regionen geben, die das auch abdecken können, damit nicht nur auf die Heime zu zählen ist?

Wenn wir gleichzeitig versuchen, die Normalisierung einer sehr schwierigen Lebens­lage zu erreichen und die Betroffenheit der Familien und der Verwandten zu sehen, sind auch hier entsprechende Maßnahmen zu setzen. Sie sind oftmals Pflegende und Sorgende, da geht es auch um die Möglichkeit, dass es zeitweise Aufenthalte in sta­tionären Einrichtungen gibt, aber genauso geht es um die soziale Absicherung und Grundsicherung dieser Menschen.

Es ist schon die demographische Entwicklung angesprochen worden. Das ist richtig, die Kosten werden zunehmen. Es gibt genug Studien aus dem nordischen Bereich, die belegen, dass mit einem Mix an Maßnahmen – in der bestehenden Wohnung ver­bleiben zu können, mit guter Pflege von außen, plus den Heimen und modernen anderen Alten- und Behinderteneinrichtungen – tatsächlich Kosten gesenkt werden können. Da ist generell zu fragen: Wie sind die Normvorstellungen, die wir haben? Ist es nicht Zeit, diese ein Stück aufzubrechen und neue Wege zu gehen, neue Wege eines Miteinanders im Alter und auch für einen anderen Umgang mit dem Thema Gesundheit und Krankheit?

Letztendlich geht es auch um neue Ansätze in der Gesundheitspolitik, denn es ist klar – das zeigen auch viele wissenschaftliche Studien –, dass Prophylaxe, Rehabili­tation und so weiter den Alterungsprozess, den Krankheitsprozess hinauszögern. Damit können die Kosten reduziert werden, und es kann auch die Lebensqualität der betroffenen Menschen massiv erhöht werden. Das heißt nichts anderes, als dass es an der Zeit ist, über einen Strukturwandel in der Altenbetreuung nachzudenken und die­sen aktiv mitzutragen, und zwar sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene. Es ist hier für finanzielle Absicherung und Sicherheit zu sorgen, um auch Würde und Wertschätzung im Alter zu wahren.

 


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