Bundesrat Stenographisches Protokoll 706. Sitzung / Seite 81

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Ich betone noch einmal: Wir wollen uns auch heute nicht der Lächerlichkeit preisgeben. Kollege Schennach hat gesagt, es gebe keinen Weg zurück. Auch das nehme ich zur Kenntnis: Also vorwärts, machen wir es!

Jetzt will ich diesen Artikel aus der gestrigen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von Shlomo Avineri bringen. Er schreibt unter dem Titel „Demokratie in Arabien: Gut ge­meint – aber chancenlos“ Folgendes:

„Es gibt keinen arabischen Gorbatschow, keinen arabischen Walesa. (...) Die Türkei hat in den vergangenen 80 Jahren einen schwierigen, bisweilen mangelhaften Prozeß der Demokratisierung hinter sich gebracht. Iran, das sich als Islamische Republik ver­steht, zeigt inzwischen täglich Anzeichen für eine lebendige Zivilgesellschaft ...“.

Ich finde es interessant, dass das ein israelischer Journalist so darstellt. Uns wird es meistens ein bisschen anders dargestellt.

Jetzt komme ich zu den auch von ihm angeführten arabischen Staaten. Es heißt hier weiters:

„In den 22 Mitgliedstaaten der Arabischen Liga jedoch geschieht nichts Vergleichbares. In vielen arabischen Ländern gibt es couragierte einzelne, die den Mächtigen entge­gentreten, doch eine Massenbewegung von Bedeutung ist daraus auch nirgends ent­standen. Eigentlich ist das überraschend, denn die arabischen Staaten sind sehr ver­schieden voneinander: Einige sind klein, andere sind groß; einige reich, andere arm; einige sind traditionsreiche Monarchien, andere autoritäre Regime, die sich auf das Militär stützen. Aber in keinem der Staaten gibt es – mit Ausnahme einiger schwächli­cher Versuche in einigen der weniger repressiven Monarchien wie Jordanien, Marokko und Bahrein – eine Bewegung hin zur Demokratie oder auch nur Ansätze, die Grund­lage für eine solche Bewegung werden könnten. Die Gründe dafür liegen nicht auf der Hand. Sie blieben selbst jenen tapferen arabischen Intellektuellen verborgen, die vor einem Jahr an dem von den UN unterstützten ,Arab Human Development Report‘ mit­arbeiteten, der das Demokratiedefizit in den arabischen Gesellschaften zeigte. (...) Die Schwäche der Zivilgesellschaft in den arabischen Gesellschaften sollte als das erkannt werden, was sie ist – ein bedeutendes Hindernis für jede Form der Demokratisierung.“

Abschließend heißt es:

„Doch selbst diese Entwicklung muß aus den Gesellschaften der arabischen Länder selbst heraus wachsen und läßt sich nicht aus dem Westen importieren.“ – Ich sage noch dazu: auch nicht für viel Geld.

Wir wurden vorgestern im Ausschuss darüber informiert, dass die Europäische Union – damit auch Österreich – Geld in diese Staaten zur Entwicklung der Zivilgesellschaft, der Demokratie und so weiter steckt. Ich denke – und das habe ich im Ausschuss auch gesagt –, es ist natürlich schön, wenn sowohl Österreich als auch die EU meinen, dass an ihrem Wesen die Welt genesen soll, aber ich sage trotzdem: Seien wir auch realis­tisch, wenn wir heute dieser Aufnahme von drei Ländern in diese Assoziation zustim­men, nämlich dahin gehend, dass damit noch nicht das erreicht wird, was wir uns eigentlich unter demokratischen Prinzipien, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit vorstellen! Es bleibt also ein langjähriger, ein jahrzehntelanger Prozess, den wir wahr­scheinlich – alle, die wir hier sitzen – gar nicht mehr erleben werden, obwohl ich uns allen ein langes und gesundes Leben wünsche; das sei auch gesagt.

Ich werde diesem Gesetz zwar zustimmen, aber Shlomo Avineri hat meine Nachdenk­lichkeit beeindruckend unterstrichen, und ich habe sie auch Ihnen hier kundgetan. (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

 


13.50

 


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