Bundesrat Stenographisches Protokoll 706. Sitzung / Seite 159

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Für Fälle einer bedeutungsvollen Tat und mit prominentem Tatverdächtigen, also für die vom ehemaligen Justizminister Foregger so genannten clamorosen Fälle, bleibt es auch künftig bei der Zuständigkeit des Untersuchungsrichters zur Sachverhaltsermitt­lung. Was mir aber viel bedeutsamer erscheint, ist der Umstand, dass der Unter­suchungsrichter nach wie vor dazu berufen sein wird, über solche Maßnahmen der Er­mittlung zu befinden, die in Grundrechte des Verfolgten eingreifen, also insbesondere zum Beispiel über Hausdurchsuchungen.

Zur erhöhten Effizienz der Strafverfolgung werden moderne Instrumente der Fahn­dung, klare Regeln über die Observation, wie auch die Identitätsfeststellung und die körperliche Untersuchung, insbesondere die DNA-Analyse, der Datenverbund zwi­schen den Sicherheitsbehörden und der Justiz sowie die erweiterte Möglichkeit „ver­deckter Ermittlungen“ erheblich beitragen. Man muss einerseits keine große Sympathie insbesondere auch für den so genannten „agent provocateur“ aufbringen – ich habe dafür jedes Verständnis –, muss aber andererseits doch auch die Entwicklungen, die sich im Bereich der organisierten Kriminalität vollzogen haben, zur Kenntnis nehmen. Es kann eben eine effiziente Strafverfolgung – natürlich im Rahmen rechtsstaatlicher Grenzen – nicht hinter den technischen Möglichkeiten der organisierten Kriminalität zurückstehen.

Zuletzt darf ich noch zu einer auch schon heute angesprochenen höchst delikaten Frage im Spannungsfeld von Verteidigungsrechten einerseits und Wahrheitsfindung andererseits Stellung beziehen, eine sicher so sensible Frage, dass sie auch in unserer eigenen Fraktion zunächst zum Teil durchaus kontroversiell beurteilt worden ist.

Das Recht eines polizeilich festgenommenen Verdächtigen oder bei Gericht inhaftier­ten Beschuldigten zur Beiziehung eines Verteidigers innerhalb der ersten 48 Stunden wird künftig eindeutig gewährleistet. Den für mich durchaus nachvollziehbaren Beden­ken unserer Justizsprecherin gegen eine allfällige Gefährdung der Wahrheitsfindung ist im Entwurf beziehungsweise im jetzigen Gesetzesbeschluss dadurch voll Rechnung getragen worden, dass der Kontakt des Verdächtigen oder Beschuldigten mit dem beigezogenen Vertreter, seinem Verteidiger, auf die Erteilung einer Vollmacht und eine allgemeine Rechtsauskunft eingeschränkt werden kann, sofern das notwendig er­scheint, um eine Beeinträchtigung der Ermittlung oder von Beweismitteln abzuwenden.

Festzuhalten ist auch, dass der Verteidiger künftig, wie ebenfalls heute bereits erwähnt, schon bei der ersten Vernehmung anwesend sein kann, ohne freilich dabei Kontakt mit seinem Mandanten aufnehmen zu dürfen. Selbst davon kann abgesehen werden, wenn dies erforderlich ist, um eine Gefahr für die Ermittlung oder die Beein­trächtigung von Beweismitteln abzuwenden. Nach Möglichkeit ist dann allerdings eine Ton- oder Bildaufnahme anzufertigen. Am Schluss der Vernehmung kann der Vertei­diger ergänzende Fragen an den Beschuldigten richten. Nur im äußersten Grenzfall der Verdunkelungsgefahr darf die Beiziehung eines Verteidigers sogar untersagt oder wenigstens der Kontakt mit dem Beschuldigten überwacht werden.

In all dem sehe ich eine rechtspolitisch durchaus ausgewogene Kompromisslösung!

Aus all diesen Erwägungen, die den klaren rechtsstaatlichen Fortschritt im strafprozes­sualen Vorverfahren erkennen lassen, begrüße ich das Reformvorhaben, persönlich wie auch im Namen meiner Fraktion, die dem vorliegenden Gesetzeswerk daher gerne ihre Zustimmung erteilen wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundes­räten der ÖVP.)

19.19

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

 


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