Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 36

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Wenn wir heute dieses Thema besprechen, so habe ich auch viel Verständnis für die Einwendungen und Überlegungen des Parteifreundes und Kollegen Zellot, denn es ist natürlich nicht so, dass dieses Gesetz allen nur Freude bereitet. Es ist für jene, die von den Tieren und mit den Tieren leben müssen, eine starke Einschränkung und Er­schwernis der Arbeit. Das müssen wir anerkennen!

Es ist erstaunlich, dass die Vertreter der ÖVP-Bauernschaft, das ist immerhin die stärkste Bauernschaft im Lande, dieses Gesetz hier im Hohen Haus zumindest nicht unwidersprochen hinnehmen. Dass Sie dieses Gesetz in den internen Diskussionen auch sehr stark negativ beurteilen, nehme ich wohl an, sonst hätten Sie Ihre Aufgabe als Bauernvertreter verfehlt. Aber ich halte es für nicht ganz zielführend, wenn man hier im Hohen Haus nur das Positive des Gesetzes herausnimmt, so wie ich das tun werde. Ich habe keine Tiere zu Hause, ich lebe nicht davon. (Ruf bei den Grünen: Milben! – Ruf bei der SPÖ: Schaben!) Und die Borkenkäfer fallen zum Glück nicht unter das Tierschutzgesetz.

Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz hat natürlich eine sehr lange Geschichte. Einer der Ersten, der sich des Tierschutzes angenommen hat, war ein Zeitgenosse von Nestroy und Raimund, ein bekannter Dichter: Ignaz Castelli. Dieser hat vor rund 150 Jahren gelebt und sich um den Tierschutz bemüht. Es stand damals in Wien die Frage an, ob ein eingeschnürtes Pferd mit einem Fallschirm aus tausend Meter Höhe von einem englischen Schausteller namens Corwell abgeworfen werden sollte. Und es ist ihm gelungen, diese wirklich schaurige Tätigkeit zu unterbinden. Das ist ihm gelun­gen!

Es wurden damals – das sollte man sich vielleicht in Erinnerung rufen, denn wir wissen es nur noch aus irgendwelchen Darstellungen – Hetzjagden auf Stiere, Bären und Löwen veranstaltet. Pferde und Hunde mussten überschwere Lasten schleppen. Da gab es Tiertransporte von unvorstellbarer Brutalität. Und so wurde am 10. März 1846 in Niederösterreich ein Verein gegen Misshandlung der Tiere in Wien gegründet.

Warum in Wien? – Wien war eine Hauptstadt, dorthin wurde Verpflegung gebracht, und Wien war damals auch ein Teil Niederösterreichs. Und diese Verpflegung wurde „le­bend“, unter oft unmenschlichen, um nicht zu sagen: untierischen Umständen in die Stadt gebracht!

Castelli hat sich auch darum bemüht, einen Karren auf den Markt zu bringen, in dem die Tiere beim Transport quer gestellt werden konnten, also etwas mehr Platz hatten. Es ist ihm nur mit viel Mühe gelungen, dass Transporte von Lebendtieren in die Haupt­stadt in diesem Wagen durchgeführt wurden – er hat es subventioniert.

Am 8. November 1847 wies Kaiser Ferdinand I. – ich glaube, er hieß auch „der Güti­ge“, also vielleicht deshalb – die k u. k Polizeidirektion an, jede öffentlich begangene Tierquälerei zu bestrafen. Im Jahr 1861 hat der 80-jährige Ignaz Castelli ein erstes Tierschutzgesetz angeregt, das in allen Kronländern Gültigkeit haben sollte. Jetzt sind wir nur noch sieben Kronländer, Wien und Burgenland waren keine Kronländer. Diese Kronlandschaften schaffen jetzt endlich ein gemeinsames Tierschutzgesetz – und das sei gelobt und gepriesen, bei allen Einwendungen, die man machen muss.

Natürlich wäre es nämlich schön, wenn wir hier von dem Standpunkt ausgehen könn­ten, dass am österreichischen Wesen der Tierschutz in der ganzen EU genesen sollte. Ich habe da so meine Zweifel! Und da Österreich nicht den Vorgaben des deutschen Philosophen Johann Gottlieb Fichte unterliegt, der 1800 „Der geschlossene Handels­staat“ geschrieben hat – heute noch nachzulesen in der Bibliothek in einem Reclam-Heftchen –, werden wir und jene, die in Österreich mit Tieren, Tierprodukten und Tier­zucht zu leben haben, einige Probleme haben, dieses Gesetz auch ökonomisch wirk­sam umzusetzen.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite