Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 81

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Ich gehe hier auch auf die Frage der bedingten Entlassung ein. Bitte fordern Sie das ruhig, aber schauen Sie auch nach Belgien: Dutroux hat im Jahr 1989 13,5 Jahre Strafhaft bekommen. Nach drei Jahren hat man ihn 1992, am 1. April – ich habe die Fakten genau studiert –, bedingt entlassen. 1995 wurde er wieder verhaftet, und jetzt wird gegen ihn verhandelt – Sie wissen, warum.

Das ist auch ein Ergebnis vorzeitiger und vorschneller bedingter Entlassung. (Bundes­rat Schennach: Aber, Herr Minister, ...!) Da bin ich lieber in der anderen Richtung vor­sichtig und bin den österreichischen Richtern dankbar, dass sie von diesem Institut nicht zu leichtfertig Gebrauch machen! (Bundesrat Schennach: Aber, Herr Bundesmi­nister, darf ich ...?) Das muss man auch dazusagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Nur einen Satz: Dass Sie jetzt mit der Keule des schlimmsten Falles Europas kommen, das ist ein bisschen arg!)

Sie müssen sich, da Sie keinen anderen Fall genannt haben, an diesem Fall messen lassen. (Bundesrat Schennach: Na ja, ...!)

Sie sollen nur wissen: Das Problem geht ja viel weiter. – Ich gehe jetzt auf Sie ein. – Wir schicken heute – der Zufall will es so – an alle Anstalten Europas, wenn nicht so­gar der gesamten Welt – die Liste ist wirklich sehr lang – einen Fragebogen aus, in dem wir anfragen: Wie viele Inländer habt ihr in den Gefängnissen und wie viele Nicht-Inländer?, Habt ihr eine bedingte Entlassung, und wie macht ihr davon Gebrauch?, weil wir, die österreichische Justiz, in der EU erreichen wollen, dass wir zu halbwegs gleich­förmigen Vollzugssystemen kommen.

Das ist nämlich wieder die Voraussetzung dafür, dass die Mitgliedstaaten der EU ihre eigenen Staatsbürger in ihren Strafhaften vollziehen. Ich sehe nicht ein, dass wir aus der EU allzu viele Strafhäftlinge haben, die wir auch in unserem Land nicht resozialisie­ren können. – Bei diesem Thema sind wir also leider sehr firm. Ich möchte nur nicht hier die Gelegenheit dazu missbrauchen, allzu sehr von den eigentlichen Themen ab­zuschweifen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Was die Gewerbsmäßigkeit anlangt, Folgendes: Reden Sie aber in diesem Fall auch – und gerade als Grüner – mit der Wirtschaft! Ich habe voriges Jahr eine Zahl bekom­men, und dieser Zahl zufolge werden 4 Milliarden € – 4 Milliarden €! – im Handel durch Diebstahl rechtswidrig entfernt – bitte, reden Sie mit dem Handel! –: ein Drittel durch Kunden, ein Drittel durch Angestellte, ein Drittel durch Lieferanten. Ein guter Teil davon geht durch ständige, wiederholte Angriffe, auch in an sich kleineren Mengen, verloren. Deshalb gibt es bei uns traditionell das Institut der Gewerbsmäßigkeit. Es gibt dieses auch in den anderen Ländern, und es muss einfach so sein.

Es führt das nicht zu überzogener Untersuchungshaft. Ich nenne Ihnen eine Zahl, da­mit Sie sehen, dass das keinesfalls überzogen sein kann: Wir haben derzeit 270 bis 370 rumänische Staatsbürger in unseren Gefängnissen. Wissen Sie, wie viele Grenz­übertritte von Rumänen wir haben? – Drei Millionen bis vier Millionen jährlich! Es kann also nicht so sein, dass wir in der Untersuchungshaft überzogen reagieren, denn von der genannten Zahl sind ohnedies nur zirka die Hälfte Untersuchungshäftlinge, die an­deren sind Strafhäftlinge. – Das möchte ich hier auch betont haben.

Was die Lehrberufe – ich muss darauf eingehen – anlangt: In unseren Jugendstrafan­stalten können die Jugendlichen natürlich ihre Lehrberufe zu Ende führen.

Insgesamt kann ich Ihnen sagen: Nützen Sie die Möglichkeit, mit uns zu sprechen! Es genügt ein Anruf – einige Tage später sitzen wir zusammen. Ich setze mich gerne mit Ihnen zusammen. Sie sollen wissen, dass wir sehr bemüht sind, die öffentliche Sicher­heit in diesem Lande aufrechtzuerhalten – manchmal auch mit unbeliebten Maßnah-


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