Bundesrat Stenographisches Protokoll 712. Sitzung / Seite 40

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und mit dem Erbe und dem Andenken all jener gehört, die sich in der Wehrmacht des „Dritten Reiches“ der Mitwirkung an den Verbrechen dieses Regimes zu entziehen versucht haben, die dem – in welcher Form auch immer – Widerstand geleistet haben. Und ich sage sehr ehrlich, dass da die Republik in gleichem Maße schuldig geworden ist.

Es ist richtig, dass es eine Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne gibt. Hier sind drei Angehörige des militärischen Widerstandes im Wehrkreiskommando XVII geehrt worden, die in den letzten Kriegstagen – mit halbem Erfolg, wie man sagen muss – versucht haben, Wien das Schicksal einer umkämpften Stadt zu ersparen. Major Carl Szokoll ist jener, der am Widerstand des 20. Juli teilgenommen hat, ihn überlebt hat und dann erneut in diese Aktion führend eingebunden war und dem wir an dieser Stelle auch einen ganz besonderen Dank für diesen heroischen Einsatz, den er überlebt hat, aussprechen sollten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Aber glauben Sie mir, ich habe ganz persönlich und meist zusammen mit unserem langjährigen Kollegen Vincenz Liechtenstein eine lange Reihe von Verteidigungs­ministern immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob das alles gewesen sein kann. Dabei geht es nicht um Tagespolitik. Kollege Hösele, niemand wird Herrn Bernardis posthum als Sozialdemokraten reklamieren; das ist er wirklich nicht gewesen. Aber darum geht es auch nicht.

Menschen mit einem völlig verschiedenartigen politischen und geistigen Hintergrund und mit Zielsetzungen, die in einer demokratischen Nachkriegszeit sie in sehr verschiedene Richtungen geführt hätten – voraussichtlich –, haben sich in dieser ganz besonderen Situation zusammengefunden. Und die Tatsache, dass, unbestreitbar, Bernardis Mitglied des NS-Soldatenringes war, macht sein Opfer nicht kleiner, sondern, ich muss sagen, sogar größer.

Ich stamme aus einer Familie, deren Angehörige 1848 auf den Barrikaden gestorben sind, die in der Monarchie und dann wieder in der Systemzeit aus politischen Gründen arbeitslos gemacht und wirklich ins Elend gestürzt wurden, deren Angehörige ihren Widerstand mit dem Leben bezahlt haben. – Ich tue mir leicht, und auch diese Vorfahren haben sich „leicht getan“ – unter Anführungszeichen –, weil sie etwas, was in ihnen drinnen war, konsequent fortsetzen konnten. Viele christlich motivierte Wider­ständler haben dieselbe klare Haltung gehabt – mit anderen historischen Taten und anderen Bewährungsproben.

Aber ich sage sehr offen, dass ich tief beeindruckt bin von den Lebensschicksalen von Menschen, die in einer bestimmten, meist jugendlichen Phase dem National­sozialis­mus auf den Leim gegangen sind: vielleicht motiviert durch einen bestimmten familiären, militärischen, national-konservativen Hintergrund – und die dann als zu­nächst einmal Überzeugte erkennen mussten, wie falsch ihre Entscheidung gewesen ist, und die sich aus dieser Entscheidung lösen konnten bis hin zur Konsequenz der aktiven Widerstandsleistung unter Riskierung des eigenen Lebens.

Zu meinen väterlichen Freunden hat Dr. Albert Massiczek gehört, der dem einen oder anderen vielleicht noch ein Begriff ist. Auch er ein Nazi. Und er hat seiner Auto­biographie korrekterweise den Titel gegeben „Ich war ein Nazi“. Dasselbe Bild: ein national-konservatives Elternhaus – es erschien als die logische Fortsetzung dessen, was die Sozialisation ihm gebracht hat. Auch er hat – nicht nachher, nein, damals: unter der Herrschaft des Nationalsozialismus – erkannt, wie falsch das ist, wofür er eingetreten ist, und dass man es nicht dabei bewenden lassen kann, festzustellen, dass es falsch ist, sondern dass man dagegen etwas tun muss.

 


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