Bundesrat Stenographisches Protokoll 719. Sitzung / Seite 37

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Analysen und Beobachtungen erfolgen, die die österreichische Bundesregierung bisher vermissen ließ.

Für wichtig erachten wir es, den Zeitraum der Übergangsfristen bis zur völligen Freiga­be zu nutzen, um Beobachtungsstrukturen und Instrumente aufzubauen, die uns letzt­endlich dabei helfen, geeignete Maßnahmen zur positiven Steuerung des Arbeitsmark­tes im Grenzbereich zu setzen. Es geht darum, dem Grenzraum Entwicklungschancen zu eröffnen und die notwendigen Instrumente dafür zu finden.

Vielleicht kann diese Maßnahme auch die österreichische Bundesregierung dazu bringen, endlich jene Hausaufgaben zu machen, die sie bisher im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung, im Speziellen mit der Ostöffnung, vermissen ließ. Während die Bundesregierung vielfach die Dinge treiben lässt, haben die Sozialpartner bereits be­gonnen, Strukturen im Grenzbereich aufzubauen und grenzüberschreitende Kontakte zu nutzen, um so die Entwicklung des Arbeitsmarktes zu beobachten. Nun bekommen sie mit diesen beiden Abkommen auch den formalen Rahmen dafür, diese Entwicklung mitzugestalten.

Die Bundesregierung beschränkt sich da – speziell was die Beeinflussung des Arbeits­marktes betrifft – vielfach aufs Zuschauen, ja ich möchte sagen: Manchmal hat man den Eindruck, das Zuschauen werde zum Programm, und das Programm wird von den so genannten Marktradikalen geschrieben. (Bundesrat Mag. Himmer: Und deswegen haben wir eine geringe Arbeitslosigkeit!) – Eine steigende in allen Bereichen, und eine Rekord-Arbeitslosigkeit! (Bundesrat Mag. Himmer: Deswegen ist sie so viel geringer als der EU-Schnitt! – Bundesrat Gruber: Trotzdem das Höchste, was jemals war! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wer einen Grenzraum einer ehemals „toten Grenze“, die eine solche seit zehn Jahren nicht mehr ist, nicht speziell fördert – und die Bundesregierung lässt die Dinge im Moment laufen –, beraubt jene Menschen, die noch in diesem Gebiet leben, fahrläs­sigerweise jeglicher Entwicklungschancen und Perspektiven.

Als ein Beispiel dafür, dass die Bundesregierung ihre Hausaufgaben in vielfacher Wei­se noch nicht erfüllt hat, nenne ich fehlende Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der so genannten EU-Osterweiterung. Es müsste Minister Bartenstein beziehungs­weise der gesamten Regierung aufgefallen sein, dass in den letzten Monaten in eini­gen Bezirken in Oberösterreich speziell in den Verkehrsberufen die Arbeitslosenzahlen explodieren. Ich erwähne den Bezirk Eferding-Grieskirchen mit 9 Prozent, den Bezirk Linz-Land mit 36 Prozent und den Bezirk Braunau mit 68 Prozent Arbeitslosigkeit in den Verkehrsberufen. Wenn Sie sich damit beschäftigt hätten, dann wüssten Sie auch warum.

Um Sie an das Problem heranzuführen: Man könnte sich mitten in Oberösterreich, in einem Ort an der Grenze des Sauwaldes am Sonntag zwischen 22 Uhr abends und Mitternacht im PKW auf die Lauer legen und man würde den Eindruck haben, man sei plötzlich über die Grenze geraten. Um diese Zeit kommen Dutzende PKWs mit tsche­chischen Kennzeichen, fahren in eine Firmeneinfahrt hinein und heraus kommen LKWs mit tschechischen Kennzeichen. Welch Zufall! Und ich werde, Frau Minister, den Namen dieser Firma auch der Regierung übergeben, und wir werden abwarten, ob etwas geschieht.

Der Besitzer dieser Firma hat in Tschechien ein Scheinbüro eröffnet. Zwar werden dort die LKWs angemeldet, die Betriebsstätte ist aber offensichtlich in Oberösterreich. Die österreichischen Fahrer, die deutschen Fahrer werden durch ein Schreiben veranlasst beziehungsweise unter Druck gesetzt, zuzustimmen, den Betriebsstandort nach Tsche­chien zu verlegen. Es wird ihnen zugesichert, dass sie netto – und das liegt schriftlich vor – denselben Lohn erhalten. Man kann sich ausrechnen, wie das vor sich geht. Die


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