Bundesrat Stenographisches Protokoll 723. Sitzung / Seite 55

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„Herr K.“ da gegen ein Unrechtsregime gewandt hat, indem er eben dieses Wirtschafts­lenkungsgesetz missachtet hat –, „Herr K.“ sei ein „Wirtschaftsdeserteur“ gewesen.

Und da komme ich jetzt zum Punkt. Hier wurden Deserteure, die sich gegen ein Un­rechtssystem gewandt haben, in einer Weise dargestellt, dass uns eigentlich die Worte fehlen sollten.

Die Worte hat aber ein Ludwig Baumann gefunden bei einem Denkmal am Friedens­platz in Bonn, das man 1989 für die Deserteure aufgestellt hat. Dort hat er gemeint:

„Mein Freund Kurt Oldenburg und ich desertierten 1942, weil wir Hitlers Krieg nicht mehr mitmachen wollten.“ Er wurde dann an der Grenze verhaftet und in Bordeaux sofort zum Tode verurteilt. – Und da müssen Sie wissen, meine Damen und Herren, das findet sich bereits in Hitlers „Mein Kampf“, wo für alle Deserteure die Todesstrafe gefordert wird.

Deshalb waren mir diese etwas weitläufigen Ausführungen von Professor Böhm nicht ganz klar. Es hat ja in diesen kriegsgerichtlichen Verfahren nicht einmal ein Mindest­maß an rechtlicher Garantie für verfahrensrechtliche Normen gegeben.

Diese beiden zum Tode Verurteilten – damit nicht genug – wurden dort inhaftiert und – ich zitiere jetzt wörtlich –: „Gequält haben sie uns so, weil wir zusammen mit Geiseln einen Ausbruch geplant hatten. Es waren cirka 90 Männer, einige von ihnen noch Kinder. Eines Tages wurden die Angehörigen der Geiseln auf den Gerichtshof getrie­ben, und wir, die zum Tode Verurteilten ..., mußten zur Abschreckung dabei sein. Und da sah ich Frauen und Mütter, die ihre Männer und Kinder in den Arm nahmen, sie schrieen und wollten sie nicht loslassen. Ich sah Soldaten der Wehrmacht, die sie brutal auseinanderrissen – und die Geiseln wurden alle brutal umgebracht. Von da an habe ich den Krieg und den Faschismus gehaßt.“ – So weit diese Szene.

Jetzt muss ich wirklich noch einmal traurigerweise auf Professor Böhm zurückkommen. Ich hätte mir nämlich heute von Ihnen als Rechtswissenschafter erwartet, dass Sie Ihren historischen Kollegen Radbruch zitieren, der sehr klare Worte zum Nationalsozia­lismus gefunden hat, nämlich wie sich ein Mensch verhalten kann, wenn Unrecht ein solch unerträgliches Ausmaß annimmt.

Diese Radbruch’sche Regel, die Sie, Herr Professor Böhm, wahrscheinlich hier aus dem Ärmel schütteln könnten, wenn Sie wollten, darf ich hier zitieren.

„Der Begriff des ,gesetzlichen Unrechts‘ wurde von Radbruch unter dem Eindruck der Unrechtserfahrungen mit dem Nationalsozialismus geprägt“, heißt es hier.

Radbruch schreibt wörtlich: „Wenn die Ermordung politischer Gegner geehrt, der Mord an Andersrassigen geboten, die gleiche Tat gegen die eigenen Gesinnungsgenossen aber mit den grausamsten, entehrendsten Strafen geahndet wird, so ist das weder Gerechtigkeit noch Recht. Wenn Gesetze den Willen zu Gerechtigkeit bewußt verleug­nen, zum Beispiel Menschenrechte Menschen nach Willkür gewähren und versagen, dann fehlt diesen Gesetzen die Geltung, dann schuldet das Volk“ – auch der Deser­teur, möchte ich hier einwenden – „ihnen keinen Gehorsam, dann müssen auch die Juristen“ – auch Sie, Herr Professor Böhm, darf ich jetzt einwerfen –„den Mut finden, ihnen den Rechtscharakter abzusprechen.“ (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.)

Und was den zweiten Kollegen Ihres Klubs, Ihrer Fraktion, wie immer Sie das jetzt rechtlich darstellen möchten, anlangt, bin ich als Oberösterreicher natürlich ganz be­sonders betroffen. Denn sich am Gedenktag, der hier in diesem Hause stattfindet, in die Gedenkstätte Konzentrationslager Mauthausen zu begeben und sich dort mit eini­gen älteren Herrschaften an Fotos von Insassen in dieser schrecklichen Zeit zu delek­tieren und dann zu meinen, weil man selbst eine eher schlanke Statur hat, dass man


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