BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 45

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Wenn alles so gut ist, wie behauptet wird, muss man sich fragen: Warum können Sie es den Menschen dann nicht erklären und lassen sie darüber befinden? Wovor haben Sie Angst? Wenn alles wunderbar ist, muss man sich vor nichts fürchten. Es ist aber eben einfach nicht alles so happy-peppi, wie Sie es immer vorstellen, nur wollen Sie das nicht zugeben. (Beifall des Bundesrates Herbert.)

Die EU entwickelt sich nämlich sehr wohl zu einem föderalen Bundesstaat, nur will
es keiner zugeben. Das ist eines der Täuschungsmanöver, die in diesem Zusammen­hang stattfinden. Theo Öhlinger hat es zwar nicht direkt zugegeben, aber gemeint, dass die im alten Verfassungsvertrag enthaltenen Artikel 1 bis 6 über den Vorrang des EU-Rechts im neuen Vertrag überhaupt nicht vorhanden sind. Das ist richtig. Sie finden sich im Vertrag selbst nicht, sie finden sich aber sehr wohl wieder in den Erklärungen der Regierungskonferenz, und diese sind Bestandteil des Reformvertrages. Also ist hier wieder eine Verschleierungstaktik in Gang gesetzt worden, um nicht zu sagen eine Täuschung. (Beifall des Bundesrates Herbert. – Zwischenruf des Bundesrates Weiss.) Aber ich sehe es auch anders, und das darf ich wohl. (Bundesrat Weiss: Wenn Sie ihn schon zitieren, dann zitieren Sie ihn ganz!)

Auch die Aufwertung des EU-Parlaments ist nicht so wunderbar, wie es immer wieder dargestellt wird, denn in sehr vielen Fällen wird es lediglich gehört, zum Beispiel in einem nicht ganz unwesentlichen Punkt, der im § 269 geregelt ist und die Eigenmittel der Europäischen Union betrifft.

Da steht drinnen: „Der Rat erlässt gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren einstimmig und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einen Beschluss, mit dem die Bestimmungen über das System der Eigenmittel der Union festgelegt werden. Darin können neue Kategorien von Eigenmitteln eingeführt oder bestehende Katego­rien abgeschafft werden.“

Das heißt, das Parlament wird gehört. Es können so auch neue Steuern eingeführt werden, andere Steuern eingeführt werden. Und der Bürger zahlt dann wieder, ohne dass er sich – auch nicht über seine Abgeordneten – wirksam dagegen wehren kann.

Auch bei den Bestimmungen über die Sicherheitspolitik wird sehr viel verschleiert. Sie ist anders, als sie immer von Ihnen beiden, nämlich ÖVP, SPÖ, aber auch von den Grünen dargestellt wird, denn sie umfasst die schrittweise Festlegung einer gemeinsa­men Verteidigungspolitik sehr wohl. Das heißt, dann kann man sich nicht mehr aussu­chen, ob und in welchem Rahmen, in welcher Art und Weise an einer gemeinsamen Verteidigungspolitik mitgemacht wird.

Außerdem verpflichten sich die Mitgliedstaaten in dem entsprechenden Artikel, dass sie ihre militärischen Fähigkeiten verbessern werden. Das finde ich ganz interessant, dass Teile der SPÖ, aber auch die Grünen, die normalerweise bei uns das Bundesheer immer abschaffen wollen, das so ohne Murren zur Kenntnis genommen haben.

Auch was die sozialen Standards anlangt, wird sehr viel versprochen, wird sehr viel schöngeredet. Man muss aber trotzdem Angst haben, dass das nicht so ist. (Bundesrat Mag. Klug: Zum Beispiel?) So hat Professor Mazal in der Expertenanhörung im Parla­ment Folgendes gesagt:

„Die Union wolle eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft erreichen, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt, die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung sowie die Förderung sozialer Gerechtigkeit und die Solidarität zwischen den Mitglied­staaten abzielt.“

Dagegen ist jetzt einmal, wenn man es so liest, nichts zu sagen. Aber das Entschei­dende kommt erst. Er sagt nämlich weiters: „Das heutige Sozialniveau könne unter dem Gerechtigkeitsaspekt und dem Aspekt der Solidarität der Mitgliedstaaten nicht ge-


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