BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 75

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dem Europäischen Gerichtshof eine Subsidiaritätsklage einzubringen. Eine Gesetzes­initiative der EU-Kommission muss zurückgezogen werden, wenn der EuGH entschei­det, sie verstoße gegen das Prinzip der Subsidiarität.

Darüber hinaus organisieren die nationalen Parlamente zusammen mit dem Europäi­schen Parlament die politische Kontrolle über Europol, über das europäische Polizei­amt, über Eurojust, die europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit, und betei­ligen sich an der Bewertung der Unionspolitik im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.

Das Europäische Parlament als einzige direkt von den Bürgerinnen und Bürgern ge­wählte europäische Institution wird in seinen Kompetenzen und Mitspracherechten durch den Vertrag von Lissabon gestärkt. Der neue Vertrag ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu einer parlamentarischen Demokratie auf europäischer Ebene.

Insbesondere bei der Gesetzgebung, beim Haushaltsrecht und bei der Kontrolle der europäischen Exekutive gewinnt das Europäische Parlament an Bedeutung. EU-Ge­setze werden in Zukunft zu 95 Prozent gleichberechtigt vom Europäischen Parlament und dem Ministerrat entschieden.

In diesem Zweikammersystem auf EU-Ebene repräsentiert das Parlament die Interes­sen der Bürger, der Ministerrat die der Staaten. Neu ist die Mitentscheidung insbeson­dere bei der gesamten Agrarpolitik, weiten Teilen der Innen- und Justizpolitik, der Ener­giepolitik, beim Katastrophenschutz und bei der humanitären Hilfe.

Insbesondere in der Innen- und Justizpolitik wird das Europäische Parlament neue Mit­wirkungsmöglichkeiten erhalten, so zum Beispiel bei der Kriminalitäts- und Terroris­musbekämpfung, in Fragen des Grenzschutzes und der Einwanderungspolitik wie auch bei der Kontrolle der europäischen Polizei- und Justizbehörden Europol und Eurojust.

Das Parlament hat sich bereits in der Vergangenheit für eine Balance zwischen den Bedürfnissen der Sicherheit auf der einen Seite und den Freiheitsrechten der Men­schen auf der anderen Seite eingesetzt. Insbesondere der Schutz der Grundrechte so­wie der Schutz der persönlichen Daten sind für das Europäische Parlament von großer Bedeutung.

Das Europäische Parlament wird auch bei der europäischen Außen- und Sicherheits­politik mehr Mitsprache erhalten. Der neu geschaffene europäische Außenminister, der offiziell „Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik“ heißt, ist gleichzeitig Vize­präsident der Europäischen Kommission. Damit ist er in seiner Arbeit gegenüber dem Europäischen Parlament verantwortlich, muss dort Rede und Antwort stehen und kann notfalls auch durch einen Misstrauensantrag entlassen werden.

Zum Aufbau der EU-Botschaften in der ganzen Welt muss das Europäische Parlament gehört werden.

Zusammen mit den nationalen Parlamenten wird das Europäische Parlament darüber hinaus die parlamentarische Kontrolle der EU-Verteidigungspolitik und der EU-Militär­missionen gewährleisten.

Die Budgetrechte des Europäischen Parlaments werden deutlich ausgeweitet: In Zu­kunft wird das Europäische Parlament die Mitentscheidung über Ausgaben der EU ha­ben.

Mit dem Vertrag von Lissabon wird das Europäische Parlament in Zukunft den Präsi­denten der Europäischen Kommission wählen. Der Europäische Rat muss dem Parla­ment einen Personalvorschlag machen und dabei die Ergebnisse der Europawahlen berücksichtigen. Der Chefposten in der europäischen Exekutive wird damit vom Wäh­lerwillen und den daraus gebildeten Mehrheiten im Europäischen Parlament abhän-


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