BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 68

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an den Intentionen des Gesetzes vorbei. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Nichtsdestotrotz freue ich mich tatsächlich, dass wir alle diesem Gesetz zustimmen. Es wird schon auch für Zeithistoriker und -historikerinnen sehr spannend sein, wenn die Zeit des Austrofaschismus durchforstet und erforscht wird, natürlich auch der Umgang mit dem Austrofaschismus erforscht wird, und wie Österreich all die Jahre danach damit umgegangen ist.

Die Verhandlungen zu diesem Gesetz haben ja doch recht lange gedauert und waren manchmal auch schon fast am Scheitern. Herrn Staatssekretär Ostermayer muss man da wirklich ein großes Lob aussprechen, weil er dann auch wieder angespornt hat, da etwas zu tun, und das wieder ins Rollen gebracht hat. Man muss sich auch bei Herrn Neugebauer von der ÖVP bedanken, und man muss sich besonders bei der ÖVP bedanken. Wir wissen, dass gerade die ÖVP sich bei diesem Gesetz bewegen musste und sich auch mit gewissen Mythen der Vergangenheit – Geschichte hat ja auch sehr viel mit Mythos zu tun – auseinandersetzen musste. Leider hängt eben manches Bild noch in einem Parlamentsklub – es hing nicht, es hängt immer noch –, aber vielleicht könnt ihr das innerhalb eurer Fraktion auch noch einmal besprechen, ob es wirklich so klug ist, dass ein Bild von Dollfuß noch in Parlamentsräumlichkeiten hängt.

Nichtsdestotrotz sind wir wirklich froh, dass nach all diesen Verhandlungen jetzt ein Rehabilitationsgesetz, so würde ich es bezeichnen, zustande gekommen ist, auch wenn das Wort „Austrofaschismus“ nicht vorkommt. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Wir sind der Meinung, man sollte die Dinge auch historisch beim Namen nennen. Sei’s drum, das ist jetzt nicht der wesentliche Punkt.

Am meisten berührt hat uns Grüne der Kontakt zu einer Familie. – Deswegen sage ich auch, es handelt sich nicht um ein symbolisches Gesetz für zwei Überlebende, sondern es handelt sich um ein ganz konkretes Gesetz für die zwei Überlebenden, aber auch für alle Familien, die damals irgendwie davon betroffen waren.

Eine dieser Familien war die Familie Fischer aus Graz. Diese Geschichte hat mich wirklich berührt, weil sie natürlich auch viel Zeitgeschichte erzählt. Dieser Mann wurde in der Zeit des Austrofaschismus im Rahmen der Trotzkistenprozesse verurteilt – er war ein Trotzkist. Da kann man anderer Meinung sein, aber er war nun einmal einer.

Er wurde verhaftet, verurteilt, ist nach dem Anschluss vor den Nationalsozialisten geflohen und wurde dann in Frankreich von den Franzosen inhaftiert, weil der Verdacht bestand, er sei ein deutscher Spion – also der zweite Arrest. Dann wurde Frankreich von den Nazis besetzt. Er wurde von den Nazis verhaftet und im KZ Buchenwald eingesperrt, weil er ja Trotzkist war. 1945 wurde er aus dem KZ befreit und 1947 von den Sowjets verhaftet, denn Trotzkist durfte man auch bei den Sowjets nicht sein.

Dieser Mann ist viermal inhaftiert worden, viermal verurteilt worden. Ein Urteil war immer noch rechtskräftig – und das hat die Familie schon bestürzt –, und zwar war das erste Urteil aus der Zeit des Austrofaschismus immer noch rechtsgültig.

Es ist einfach erfreulich, dass jetzt zuletzt die Situation – nach den Aufhebungen der anderen Urteile: die Sowjetunion hat die Urteile schon in den frühen neunziger Jahren aufgehoben, die Nazi-Urteile wurden ja zum Glück aufgehoben – hier korrigiert wird. Dass das Urteil des Austrofaschismus immer noch gültig war, war natürlich auch historisch nicht korrekt. Deswegen: Danke schön, dass wir hier heute eine historische Korrektur machen! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.06

 


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